Loveparade-Katastrophe in Duisburg Mindestens sechs Überlebende nahmen sich das Leben

Duisburg · Vier Jahre nach der Loveparade-Katastrophe in Duisburg gibt es noch keinen Termin für den Strafprozess gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen. Darauf wollen viele Opfer mit ihren Ansprüchen nicht länger warten. Viele haben bisher noch keinen Cent Unterstützung erhalten. Mindestens sechs Überlebende haben sich inzwischen umgebracht.

Loveparade-Gedenkstätte fertiggestellt
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Foto: dpa, Federico Gambarini

Vier Jahre nach der Loveparade-Katastrophe in Duisburg rollt eine Klagewelle auf die mutmaßlichen Verantwortlichen zu. Sie habe am Freitag die ersten von rund 30 Zivilklagen von Opfern, die von ihr vertreten werden, auf den Weg gebracht, sagte die Bochumer Anwältin Bärbel Schönhof. Verklagt werde die Stadt Duisburg, Loveparade-Veranstalter Rainer Schaller und seine Firma Lopavent sowie erstmals das Land NRW als Dienstherr der Polizei.

Die Anwältin ist der Ansicht: "Sie alle haben die Leute sehenden Auges in die Katastrophe gehen lassen." Es gehe nun darum, den Opfern die notwendigen Mittel für Therapien und ihren Verdienstausfall zu erstreiten. Sie fordere bis zu 300 000 Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld pro Opfer. Die beantragten Schmerzensgeldsummen lägen dabei zwischen 50 000 und 80 000 Euro.

Die mit dem Land NRW erstmals beklagte Polizei habe - unabhängig von den Sicherheitskonzepten der Veranstalter - eine eigene Pflicht zur Gefahrenabwehr. Sie hätte rechtzeitig eingreifen können, glaubt die Anwältin. Als Zeugen will sie den derzeitigen NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) und seinen Vorgänger Ingo Wolf (FDP) befragen, den damaligen Duisburger Polizeipräsidenten Rolf Cebin und die damaligen Oberbürgermeister von Essen, Dortmund und Bochum.

Bei der Tragödie am 24. Juli 2010 waren in Duisburg 21 Menschen ums Leben gekommen und über 500 verletzt worden. Die Staatsanwaltschaft erhob Anfang 2014 Anklage gegen zehn Beschuldigte wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Schaller ist nicht darunter. Die Entscheidung des Duisburger Landgerichtes über die Zulassung der Anklage steht noch aus.

Bislang seien zwei Zivilklagen um vergleichsweise geringe Summen von 5000 und 6000 Euro durch Vergleich entschieden, sagte ein Sprecher des Duisburger Landgerichts am Freitag. Zwei weitere Verfahren seien derzeit noch anhängig.

Für die Betroffenen der Katastrophe erklärte Jörn Teich, auch vier Jahre nach der Katastrophe kämpften immer noch Überlebende um einen Therapieplatz. Familien seien zwischenzeitlich zerbrochen. Die Zahl der Todesopfer sei inzwischen durch Suizide auf 27 gestiegen. Viele Überlebenden hätten nach wie vor keinen Cent Unterstützung erhalten und müssten sich auch noch gegen Vorwürfe verteidigen, Betrüger und Simulanten zu sein.

"So kann es in Zukunft nicht weitergehen", sagte Teich und forderte die Einrichtung einer Stiftung, die eine adäquate Nachsorge für die Traumatisierten und Verletzten gewährleistet.

(dpa)
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