Zum zehnjährigen Gedenken WDR-Journalistin stellt Loveparade-Roman vor

Duisburg · Die Journalistin Jessika Westen hat mit „Dance or Die“ einen Roman über eines der größten Unglücke der Duisburger Vergangenheit verfasst. In drei parallel laufenden Geschichten erzählt er von drei Schicksalen von Helfern, Opfern und Beobachtern während der Loveparade.

 Ein Sanitäter, eine Journalistin und eine junge Partygängerin sind die Protagonisten in dem Roman von Jessika Westen.

Ein Sanitäter, eine Journalistin und eine junge Partygängerin sind die Protagonisten in dem Roman von Jessika Westen.

Foto: Alexander Triesch

„Dance or Die“, Tanzen oder Sterben, so heißt der Titel des Buches, und man könnte ihn für makaber halten, wären diese Worte nicht schon vor der Katastrophe in Duisburg aufgetaucht. „Dance or Die“, das stand auch auf vielen kleinen Aufklebern, die am Morgen des 24. Juli 2010 auf dem Gelände des alten Güterbahnhofs verteilt wurden. Es sollte ein flotter Spruch sein, der Werbung macht für den größten Techno-Tanz der Welt, die Loveparade. Rückblickend wirkt er gruselig. Ausgerechnet diese Worten waren es, die Tausende Menschen zum Feiern nach Duisburg locken sollten.

Für die Reporterin Jessika Westen, 40, war schnell klar: Das wird der Titel ihres Romans. „Dance or Die“, das sind 320 Seiten, die den katastrophalen Tag aus der Sicht von drei Protagonisten rekonstruieren. Die Geschichte begleitet einen Notfallsanitäter, eine Journalistin und eine junge Frau namens Katty, die mit ihren Freunden auf der Loveparade zu elektronischer Musik feiert. Drei Geschichten, drei Schicksale. Immer wieder tauchen zwischendurch Seiten auf, die lediglich aus transkribierten Funksprüchen der Einsatzkräfte bestehen. „Wir brauchen Rettungskräfte in der Mitte der Rampe“, heißt es dort etwa.

Westen, die 2010 selbst live für den WDR von der Loveparade berichtet hat und auch privat immer wieder auf der Loveparade war, stellte ihren Roman am Donnerstagmorgen im Steinhof in Duisburg vor. Mit dabei waren neben Vertretern der Betroffeneninitiative auch Gabi Müller, die ihren Sohn im tödlichen Gedränge verloren hat, der Sanitäter Vasco Engelhardt und Jessica Plönes, die als 17-Jährige bei dem Unglück auf der sogenannten Rampe, dem einzigen Zugang zum Festival-Gelände, schwer verletzt wurde.

„Die Geschichte liest sich wie ein Doku-Roman, das war unglaublich ergreifend“, sagt Engelhardt, der damals mit vielen Kollegen als einer der ersten die Verletzten am Unglücksort betreute. Westen hat oft mit ihm gesprochen, sich erzählen lassen, wie es damals war, als 21 Menschen starben.  Jahrelang hat sie recherchiert, das Gespräch gesucht mit Angehörigen, Betroffenen, Augenzeugen und Anwälten – auch mit Leuten, „die gar nicht öffentlich sprechen dürfen“, wie Westen sagt.

Das Buch zu schreiben, war für die 40-Jährige auch ein Weg, selbst mit der Katastrophe umzugehen. „Ich stand damals am Bahnhof und sollte über die Party berichten. Am Ende wurde daraus eine Katastrophenberichterstattung.“ Die Journalistin, die im Buch auftaucht, Emma, habe große Ähnlichkeit mit Westen selbst, erzählt sie. Bereits 2014 hat sie die ersten Passagen des Buches geschrieben, lange war nicht klar, ob das Buch überhaupt fertigt wird – ihr Mann hat sie aber immer wieder motiviert, angespornt, gut zugeredet. „Ich wollte einen Roman und kein Sachbuch schreiben, weil das für mich die richtige emotionale Fallhöhe hatte“, sagt Westen.

Nun liegt der fertige Roman in den Buchhandlungen, einige Wochen bevor sich das Unglück zum zehnten Mal jährt. Unter den Verletzten waren damals auch viele ausländische Staatsbürger, die zum Feiern nach NRW kamen. Ob das Buch in andere Sprachen übersetzt wird? Das werde sich noch zeigen, so Westen. 10 Prozent der Einnahmen will sie an das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe spenden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort