Zeitnot wegen Coronakrise Staatsanwaltschaft stimmt Einstellung des Loveparade-Prozesses zu

Duisburg · Die Staatsanwaltschaft Duisburg stimmt der Einstellung des Prozesses rund um die Loveparade-Katastrophe von 2010 zu. Das Verfahren endet damit voraussichtlich ohne Schuldspruch.

 Die Staatsanwaltschaft stimmt der Einstellung des Loveparade-Prozesses zu.

Die Staatsanwaltschaft stimmt der Einstellung des Loveparade-Prozesses zu.

Foto: dpa/Caroline Seidel

Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat am Freitag dem Vorschlag des Landgerichts, das Strafverfahren gegen die drei verbliebenen Angeklagten im Loveparade-Prozess einzustellen, zugestimmt. Die Entscheidung des Gerichts über die Prozesseinstellung wird für die kommende Woche erwartet.

Angesichts der schweren Folgen der Tragödie – 21 Tote, mehr als 650 Verletzte – und des damit verbundenen Leids sei der Staatsanwaltschaft die Entscheidung nicht leicht gefallen. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände erscheine eine Einstellung des Verfahrens im Ergebnis nunmehr aber vertretbar, teilte die Staatsanwaltschaft Duisburg am Freitag in einer Pressemitteilung mit.

Dabei gehe die Staatsanwaltschaft – bei vorläufiger Bewertung des Beweisergebnisses – ebenso wie das Gericht davon aus, dass sich der hinreichende Tatverdacht gegen die drei Angeklagten bestätigt habe. Vorbehaltlich der Verjährungsproblematik wäre daher aus ihrer Sicht ein Tatnachweis in der Hauptverhandlung wahrscheinlich. Die Gründe, die dazu geführt hätten, dass die Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens dennoch erteilt wurde, seien vielfältig.

Wir zitieren nachfolgend aus der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft:

„Durch die bisherige Beweisaufnahme sowie das vorläufige schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach konnten die entscheidenden Ursachen für das Unglück aus Sicht der Staatsanwaltschaft herausgearbeitet werden. Diese liegen in der fehlenden Eignung des Veranstaltungsraumes und des Veranstaltungskonzeptes für eine Veranstaltung dieser Größenordnung sowie in einer fehlerhaften Steuerung der Besucherströme am Veranstaltungstag. Dafür waren jedenfalls überwiegend die Angeklagten verantwortlich. Sie haben daher ursprünglich nicht nur eine geringe hypothetische Schuld auf sich geladen.

Zu ihren Gunsten ist hingegen zu berücksichtigen, dass es sich – nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Gerlach – um ein multikausales und im Einzelnen nur sehr schwer vorhersehbares Geschehen handelte. Die Angeklagten sind strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, sie sind durch die jahrelange öffentliche Diskussion über das Verfahren und ihre Rolle darin sowie die lange Verfahrensdauer erheblich belastet.

Für die Beantwortung der Frage, ob ein den Angeklagten anzulastendes Verschulden im Sinne von § 153 StPO gering ist, darf überdies nicht allein auf den Tatzeitpunkt abgestellt werden, vielmehr ist auch der aktuelle Verfahrensstand maßgeblich. Demzufolge sind heute wesentliche Faktoren zu berücksichtigen, die in der Vergangenheit noch nicht vorlagen, sich nunmehr aber erheblich auswirken.

Seit der Teileinstellung des Strafverfahrens im Februar 2019 hinsichtlich der früheren sieben Mitangeklagten ist ein weiteres, die Angeklagten in ihrer Lebensgestaltung deutlich belastendes Jahr mit zahlreichen weiteren Hauptverhandlungsterminen vergangen.

Durch die Corona-Pandemie ist eine konkrete Gefährdung zahlreicher Verfahrensbeteiligter und auch der an den Sitzungen teilnehmenden Öffentlichkeit mit ganz erheblichen Gesundheitsrisiken eingetreten. Diese Gefährdung wird – wie die Unterbrechung des Verfahrens zeigt – zu einer Verzögerung der Hauptverhandlung führen.

Es steht damit nunmehr sicher fest, dass das für ein Sachurteil nach dem Gesetz erforderliche Beweisprogramm bis zu dem Eintritt der absoluten Strafverfolgungsverjährung am 27. Juli 2020 jedenfalls hinsichtlich des Vorwurfes der fahrlässigen Tötung nicht zu absolvieren ist. Der Umstand, dass möglicherweise hinsichtlich des Vorwurfes der fahrlässigen Körperverletzung die Verfolgungsverjährung gegebenenfalls erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten könnte, erscheint demgegenüber weniger bedeutsam.

Angesichts der Gesamtumstände teilt die Staatsanwaltschaft die Auffassung des Gerichts, dass die Schuld der Angeklagten unter Berücksichtigung der Gefahrenlage und des aktuellen Verfahrensstandes als gering angesehen werden kann. Eine Fortführung des Verfahrens ist daher – insbesondere auch mit Blick auf die Strafe, die die Angeklagten bei einer Verurteilung zu erwarten hätten – nicht mehr verhältnismäßig.“

(dab)
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