Duisburg Lehrer üben Körpersprache

Duisburg · Der Tänzer und Choreograph Avi Kaiser bietet eine ungewöhnliche Workshop-Reihe für Lehrer an. Dabei lernen die Pädagogen oft ganz neue Seiten an sich kennen. An einem Abend wurde im Lehmbruck-Museum getanzt.

 Gesten, Haltung und Ausdrucksgehalt der Lehmbruck-Skulpturen laden dazu ein, Gefühle tänzerisch umzusetzen. Foto oben: Avi Kaiser.

Gesten, Haltung und Ausdrucksgehalt der Lehmbruck-Skulpturen laden dazu ein, Gefühle tänzerisch umzusetzen. Foto oben: Avi Kaiser.

Foto: bernd uhlen

Außerschulische Kulturangebote für Schüler sind zwar nicht gerade alltäglich, aber auch nicht (mehr) ungewöhnlich. Duisburger Museen laden beispielsweise Schulklassen ein, die bei Sonderführungen oder beim Blick hinter die Kulissen Einsichten bekommen, die nicht in Lehrbüchern zu finden sind. In vielen Schulen arbeiten Lehrer, die als Kulturbeauftragte besondere Aufgaben übernommen haben. Unterstützt werden sie in Duisburg von der Schulkulturkontaktstelle, die Petra Müller leitet, oder auch von der "Kulturagentin" Nina Pelletier, die in Duisburg und Moers ihre kulturellen Netze pflegt. Einige engagierte Lehrer, Petra Müller und Nina Pelletier haben nun etwas ganz Neues ausprobiert: Sie haben Lehrer (nicht Schüler!) zu einer sechsteiligen Workshop-Reihe beim Tänzer und Choreographen Avi Kaiser eingeladen. 17 Lehrer aus Moers und Duisburg konnten an den Workshops teilnehmen. Die meisten Zusammenkünfte fanden im Tanzraum "The Roof" am Innenhafen statt, wo Avi Kaiser und Sergio Antonino leben und arbeiten. Einen besonders inspirierenden Workshopabend gab es außerdem im Lehmbruck-Museum. Dort bewegten sich die Lehrer angesichts der Lehmbruck-Werke.

Ziel des Workshops ist es nicht, Mathematik-, Latein-, Deutsch- oder Englischlehrer zu Tänzern auszubilden. "Ich will zusammen mit den Lehrern Körpergefühl bewusst machen", sagt Avi Kaiser.

Die Lehrer seien, so der Choreograph und Tänzer, ähnlich wie darstellende Künstler, vor der Klasse "Performer, die Informationen vermitteln". Neben didaktischen und pädagogischen Fähigkeiten gebe es aber Bereiche, die bei der Ausbildung oder im Schulalltag kaum in den Blick genommen werden. Und das sei die Körpersprache.

Wer als Zuschauer mitten in die Workshop-Reihe platzt, ist ein wenig verwundert, wie Avi Kaiser die Lehrer mit tänzerischen Mitteln das Hören auf den eigenen Körper lehrt. Zu den zurückhaltend-minimalistischen Klängen von Steve Reich und Philip Glass werden die Lehrer aufgefordert, zunächst nur auf Socken langsam durch den Raum zu gehen. "Spürt, wie die Fußballen den Boden berühren. Spürt, wie die Fußhacke belastet wird. Spürt die Kraft im Unterschenkel. Schaut bei all dem nicht auf den Boden. Ihr wisst, wo Ihr lauft."

So lauten einige der Anweisungen, die Avi Kaiser gibt. Dann fordert er zu mehr Aktivität auf: "Benutzt die Arme als Verlängerung des Oberkörpers, weist mit dem Rücken auf etwas hin, zeigt den anderen etwas mit der Hand, nutzt dabei auch die Finger; zeigt mehr Details, sucht eine besondere Stelle im Raum, geht zu einem Platz, wo Ihr den anderen etwas zeigen möchtet."

Avi Kaiser beschränkt sich auf eine allgemeine Regie. Er sagt nicht, was da gezeigt werden soll. Er gibt auch keine Hinweise darauf, wie die Stelle des Rückens, die man mit der Hand selber kaum erreichen kann, Ausdruckmittel werden kann. Trotzdem scheinen seine steuernden Worte bei der Lehrergruppe irgendwie anzukommen.

Ella Diegeler, die am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium in Marxloh Latein und Italienisch unterrichtet, ist von den Workshops jedenfalls begeistert. "Man lernt Dinge von seinem Körper kennen, die man vorher nie wahrgenommen hat. Ich möchte diese Erfahrung nicht missen." Und ihre Kollegin aus Moers, Beate von der Ruhren, die an der Anne-Frank-Gesamtschule Kunst unterrichtet, meint, dass ihr in den Workshops klar geworden sei, dass Körperausdruck eine Sprache ohne Worte ist, die viel bewirken kann.

Alle Teilnehmer schwärmen besonders von der Stunde im Lehmbruck-Museum. Die Gesten und Haltungen der Skulpturen luden dazu ein, Gefühle tänzerisch umzusetzen. Beate von der Ruhren fand es besonders reizvoll, auf die Skulpturen "zweifach zu antworten": einmal im Versuch, den bildhauerischen Ausdruck tänzerisch zu kopieren oder ihn als Gegenentwurf zu gestalten. Als Zuschauer wird man nicht allen Lehrern eine tänzerische Begabung zugestehen wollen. Das ist auch nicht gefragt. Aber dem Ziel, das Körpergefühl zu stärken, kommen wohl alle Lehrer in den Workshops näher. Eine suggestive Vorstellung, die Avi Kaiser der Lehrergruppe einflößt, bleibt besonders gut haften: "Wo ich stehe, ist das Zentrum; auch, wenn ich in einer Ecke oder am Rand stehe."

PETER KLUCKEN

(RP)
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