Kritik von Betriebsrat bei Thyssenkrupp „Dies ist absolut unangebracht und hinterlässt verbrannte Erde“
Duisburg/Essen · Das Ringen um die Thyssenkrupp-Stahlsparte geht weiter. Konzernchef López solle sich einer „konstruktiven Diskussion“ stellen, fordert Betriebsrats-Chef Nasikkol. In Essen wolle man den Stahl doch bloß so billig wie möglich loswerden. Das Unternehmen reagiert umgehend.
Im Streit um die Neuaufstellung der Thyssenkrupp-Stahlsparte hat Stahl-Betriebsratschef Tekin Nasikkol Konzernchef Miguel López zu einer Versachlichung der Debatte aufgefordert. „Herr López muss sofort damit aufhören, den Stahlvorstand öffentlich zu beschädigen und weiter Druck auszuüben“, erklärte Nasikkol laut einer Mitteilung.
Die Stahlkompetenz liege in Duisburg und nicht in Essen. „Der Stahlvorstand ist sich seiner Verantwortung bewusst und weiß, wie ein Stahlwerk funktionieren kann.“ Nasikkol ist Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Thyssenkrupp-Stahlsparte. Er ist außerdem Konzernbetriebsratsvorsitzender und Mitglied des Aufsichtsrats der Thyssenkrupp AG.
27.000 Menschen arbeiten in der Sparte
Die unter der Konjunkturschwäche und Billigimporten leidende Stahlsparte soll verselbstständigt werden und finanziell auf eigenen Füßen stehen. Dafür ist unter anderem ein Abbau der Stahlerzeugungskapazitäten in Duisburg geplant, der auch mit einem Stellenabbau verbunden sein wird. Strittig ist vor allem die finanzielle Ausstattung der Sparte durch den Mutterkonzern bei der Verselbstständigung. Thyssenkrupp Steel ist Deutschlands größter Stahlhersteller. Rund 27.000 Menschen arbeiten in der Sparte.
Der Stahl-Vorstand unter Bernhard Osburg hatte dem Aufsichtsrat der Führungsgesellschaft Thyssenkrupp Steel Europe vor einer Woche seine Pläne für die Neuaufstellung vorgestellt. López hatte einen Tag später erklärt, dass der Stahl-Vorstand „endlich einen langfristig tragfähigen, soliden und finanzierbaren Businessplan für die Neuausrichtung des Stahlbereichs“ vorlegen solle. „Was wir jetzt brauchen, ist ein nüchterner, realistischer Blick in die Zukunft ohne Hoffnungswerte und ohne Schönfärberei“, hieß es in einem Statement, das von vielen Beobachtern als Kritik am Stahl-Vorstand verstanden wurde.
Wenige Tage später lobte der neue AG-Finanzvorstand Jens Schulte die Arbeit des Stahl-Vorstands. Die strukturelle Neuaufstellung des Stahlgeschäfts sei „ein äußerst anspruchsvolles Unterfangen, da es gleichzeitig um eine Performancetransformation, Performancesteigerungen und eine grüne Transformation geht“, sagte Schulte bei der Vorlage der Quartalszahlen. „Und das alles noch in einem sehr angespannten Umfeld. Insofern, und das sage ich hier und das sage ich auch intern im Unternehmen, verdient die Arbeit daran auch durch den Stahlvorstand den größten Respekt.“ Schulte ist seit 1. Juni Finanzvorstand des Traditionskonzerns, der Ende Juni insgesamt knapp 98.000 Menschen beschäftigte.
Nasikkol: López soll sich konstruktiver Diskussion stellen
Die Muttergesellschaft in Essen wolle den Stahl so billig wie möglich loswerden, sagte Nasikkol am Freitag. Es habe zudem den Anschein, als handle es sich um einen persönlichen Konflikt zwischen López und Osburg, der jedoch nur einseitig geführt werde. „Dies ist absolut unangebracht und hinterlässt verbrannte Erde. Herr López muss sich der konstruktiven Diskussion stellen“, so der Arbeitnehmervertreter. Es gehe um die Zukunft von Zehntausenden Arbeitsplätzen in der ganzen Region.
Ein Konzernsprecher wies die Einschätzung Nasikkols, dass es sich um einen persönlichen Konflikt handle, zurück. „Sondern es geht hier um Sachfragen rund um den Businessplan, zu denen der Vorstand der Thyssenkrupp AG eine einheitliche Meinung hat“, betonte er.
Finanzvorstand: „Plan muss finanzierbar sein“
Der Sprecher verwies in diesem Zusammenhang auf ein am Freitag konzernweit verbreitetes Interview mit Schulte unter der Überschrift „100 Tage im Amt“. „Wir brauchen vom Stahlvorstand einen belastbaren Businessplan“, sagt der Finanzvorstand darin. Und weiter: „Dieser Plan muss tragfähig, finanzierbar und wettbewerbsfähig sein. Was wir bisher gesehen haben, reicht aus betriebswirtschaftlicher Perspektive nicht aus.“ Ziel sei es, dass der Bereich seine Investitionen in die Zukunft aus eigener Kraft bewältigen könne. „Da sind wir finanziell noch weit von entfernt. So ehrlich müssen wir miteinander sein.“ Kein Bereich könne für sich in Anspruch nehmen, durch die Erträge anderer Geschäfte von Thyssenkrupp dauerhaft quersubventioniert zu werden.