Warum IHK und Stadtspitze unterschiedlicher Meinung sind Kiesabbau: IHK fordert „mehr Mut“ der Politik

Duisburg · Die Spitze der Niederrheinischen IHK hat Oberbürgermeister Sören Link und die Duisburger SPD dafür kritisiert, dass sie sich gegen eine Kiesbaggerei in Mündelheim ausgesprochen haben. IHK-Präsident Landers ruft zum „offenen Dialog“ auf.

 Hinter der Uerdinger Rheinbrücke gibt es eine Fläche im Mündelheimer Rheinbogen, auf der sich die Industrie eine 92 Hektar große Kiesbaggerei vorstellen könnte.

Hinter der Uerdinger Rheinbrücke gibt es eine Fläche im Mündelheimer Rheinbogen, auf der sich die Industrie eine 92 Hektar große Kiesbaggerei vorstellen könnte.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Bei der Vorstellung des „Ruhrlageberichts“ der Industrie- und Handelskammern Dortmund, Essen und Niederrhein forderte Landers am Donnerstag, die Politik müsse in Fragen wie der Ausweisung neuer Flächen für den Kiesabbau „mehr Mut“ haben. „Wir können da nicht jeden abholen“, sagte der IHK-Präsident an die Adresse von OB Link und der SPD-Ratsfraktion, die sich schon im Vorfeld gegen eine mögliche Auskiesung im Mündelheimer Rheinbogen ausgesprochen hatte. Wie die RP berichtete, hatte die IHK gemeinsam mit dem Rohstoffverband vero mögliche Optionsstandorte als Kompromissvorschlag ins Gespräch gebracht. Darunter war auch eine rund 920.000 Quadratmeter große Fläche, größtenteils nördlich der B 288 in unmittelbarer Nähe der Uerdinger Rheinbrücke. Die Ablehnung der SPD sei in „vorauseilendem Gehorsam“ erfolgt, so Landers: „Derartige Reflexe versperren den Blick auf die Chancen.“ Es gebe in der Bevölkerung keine generelle Wirtschafts- und Industriefeindlichkeit: „Alle wollen doch die neuesten technischen Produkte, die beste Infrastruktur und einen sicheren Arbeitsplatz in der Nähe.“ Gelegentlich würden Bürger aber nach dem Prinzip verfahren „not in my backyard“ (nicht in meinem Hinterhof). Man müsse aber auch das Gesamtinteresse des Landes im Auge haben, das gelte insbesondere auch für gewählte Volksvertreter: „Wer ein Omelette will, der muss auch Eier zerbrechen“, so Landers.

Ähnlich sieht es IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Dietzfelbinger. „Kies und Sand werden in der Bauindustrie dringend gebraucht, und es gibt ihn nun mal nur hier am Niederrhein und in Duisburg.“ Er erinnerte daran, dass 16.000 Arbeitsplätze in meist mittelständisch geführten Firmen vom Kiesabbau abhängig seien. Dass Menschen kein großes Baggerloch für ihrer Haustür wollten, versteht auch der IHK-Präsident. Aber was am Ende nach Beendigung des Kiesabbaus mit der Fläche passiert, werde viel zu wenig diskutiert. So biete die Kiesbaggerei die Option für spätere Retentionsflächen zum Hochwasserschutz, die anders gar nicht zu finanzieren wären. Landers verwies auch auf die Renaturierung der Lippemündung in Wesel, die ohne die Kiesindustrie gar nicht möglich gewesen wäre: „Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten“, sagte Landers. Er forderte zu einem „offenen Dialog“ auf, an dem sich Industrie, Politik, Naturschützer und Geologen beteiligen sollten, um auszuloten, was machbar sei.

 Ein Kiesbagger bei der Arbeit. Solche Bilder könnten künftig auch in Mündelheim entstehen, wenn es nach dem Willen der Industrie geht.

Ein Kiesbagger bei der Arbeit. Solche Bilder könnten künftig auch in Mündelheim entstehen, wenn es nach dem Willen der Industrie geht.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Die Lage der Wirtschaft an Rhein und Ruhr hat sich indes deutlich verschlechtert: „Wir stehen vor einer Rezession oder sind sogar schon am Beginn einer Rezession“, erklärte der Kammerpräsident. Nur etwas mehr als ein Drittel (38 Prozent) von 1000 befragten Unternehmen mit insgesamt mehr als 110.000 Beschäftigten bezeichneten ihre Lage noch als „gut“. Das lag vor allem an einer florierenden Bauindustrie und dem hohen Binnenkonsum während sich die Situation bei den Exporten deutlich verschlechterte. Die Beschäftigungssituation sei noch stabil, aber: „Kurzarbeit ist kein Wort mehr, das nicht auf der Tagesordnung steht“, erklärte Landers. Er forderte eine steuerliche Entlastung der Wirtschaft, eine schnellere Erneuerung der Infrastruktur – zum Beispiel durch vereinfachte Genehmigungsverfahren – und eine bessere Ausgestaltung der Energiewende.

Der Konjunkturklimaindex, der eine Mischung aus der aktuellen Situation und den Erwartungen an die Zukunft ausdrückt, ist an Rhein und Ruhr von 126 auf 110 Punkte gesunken. „Das liegt vor allem an den niedrigeren Erwartungen“, erklärte Stefan Dietzfelbinger.

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