Redaktionsgespräch mit Dr. Elke Bartels Keine Angst vor dem Hotspot Duisburg

Duisburg · Duisburgs Polizeipräsidentin genießt in der Stadt einen ausgezeichneten Ruf: weil sie zupackt, weil sie mutig ist, weil sie ihre Meinung sagt und weil sie nichts unversucht lässt, um das Sicherheitsgefühl der Bürger zu erhöhen.

 Innenminister Ralf Jäger ließ es sich nicht nehmen, im Oktober 2010 die neue Polizeipräsidentin in Duisburg zu begrüßen.

Innenminister Ralf Jäger ließ es sich nicht nehmen, im Oktober 2010 die neue Polizeipräsidentin in Duisburg zu begrüßen.

Foto: andreas Probst

Zum Redaktionsgespräch kommt Elke Bartels im dunkelblauen Strickkleid, farblich passend zu der Uniform ihres Pressesprechers Ramon van der Maat, der sie begleitet. Als Polizeipräsidentin gehört sie zu den "Zivilisten" in ihrer Behörde, was der internen Akzeptanz keinen Abbruch tut. Auch ohne goldene Sterne auf Schulterpolstern genießt sie im Polizeipräsidium, ebenso aber bei den Duisburgern, einen guten Ruf. Sie gilt als unkompliziert und uneitel, als geradlinig und pragmatisch. Dass sie daneben als gebürtiges Kind des Ruhrgebietes die Mentalität und Sprache dieser Region mitbringt, ist kein Nachteil.

Respekt hat sie sich weit über die Stadtgrenzen hinaus mit einer letztlich gescheiterten Aktion erworben. Als im vergangenen Jahr Rechtsradikale ausgerechnet für den 9. November, dem Pogrom-Gedenktag, eine Demonstration in Duisburg angemeldet hatten, zog die Juristin sämtliche Register, um den Aufmarsch zu verhindern. Während das Verwaltungsgericht und auch das Oberverwaltungsgericht ihrer Argumentation folgten, fertigte sie das Bundesverfassungsgericht wenige Stunden vor der Demo als letzte Instanz mit zwei Zeilen ab. "Ich vermisse bis heute eine detaillierte Begründung", ärgert sich Elke Bartels immer noch ein bisschen.

Die oberste Gerichtsentscheidung geht nach wie vor gegen ihren Sinn für Gerechtigkeit, gegen ihr Demokratieverständnis, wohl wissend "dass wir tagtäglich demokratische Rechte zu schützen haben", und zwar unabhängig von der persönlichen Einstellung. Gerade in der Auseinandersetzung zwischen Rechtsradikalen und der bürgerlichen Gesellschaft "sitzen wir als Polizei dazwischen und müssen unsere eigenen politischen Ansichten völlig ausblenden. Das verlangt unser Beruf", sagt sie. Oftmals würde sie sich wünschen, wenn den Auftritten der Neonazis und ihren Gesinnungsfreunden keine Beachtung geschenkt würde. Aber wenn es Gegendemonstrationen gibt, "dann bitte nur friedliche. Alles andere wertet die Gegenseite doch nur auf." Ein gutes Beispiel, wie es ohne Gewalt funktionieren kann, waren für sie im vorigen Jahr die Demos im Umfeld des "Problemhauses" in Bergheim, mit dem sie es daher auch aus ganz anderen Gründen immer wieder zu tun hat.

Während Duisburg im Hinblick auf die Verkehrsstatistik zu ihrer Freude als sicherste Großstadt im Revier zählt, ist das bei der Kriminalitätsentwicklung etwas anderes. Die genauen Zahlen aus dem vergangenen Jahr wird sie in Kürze vorstellen. Ohne dem Ergebnis vorzugreifen, sie werden ein weiteres Mal unterstreichen, dass mit den nach Duisburg gezogenen Rumänen und Bulgaren eine Veränderung der Kriminalitätsraten einhergegangen ist.

Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, hat Elke Bartels den Kontakt zur rumänischen Polizei gesucht und gefunden. Mit Hilfe deren Botschaft gelang es Ende vorigen Jahres, zwei Polizeibeamte aus diesem südosteuropäischen Land hierher nach Duisburg zu holen. "Wir haben von den beiden Kollegen eine Menge erfahren, was wir noch nicht wussten", sagt Bartels: zum Beispiel über Strukturen in dem Land, über die dortige Sicherheitslage, über Schlepper und die Hintermänner. Weil der Kontakt so positive Ergebnisse hatte, bemüht sich Bartels gerade um eine Wiederholung.

Das klingt einfacher als es ist. Denn viele Behörden und politische Ebenen hüben und drüben müssen eingeschaltet werden, bis so etwas klappt. Und Dr. Bartels muss sicher sein, in ihrem Etat auch das Geld zu haben, um den Besuch zu finanzieren. Auch wenn viele mitreden, bezahlen muss sie den Aufenthalt. Angesichts von 10 770 Osteuropäern, davon 5900 Rumänen, die mit Stichtag 31. Januar in Duisburg gemeldet waren ("Wie viele hier unangemeldet leben, können wir nicht einmal schätzen"), befürchtet Elke Bartels noch eine Menge Arbeit für ihre Kollegen. "Die, die nicht integrationswillig und -fähig sind, sehen wir als Polizei nicht gerne", sagt sie. Denn auch wenn die Zahlen erst in Kürze bekannt gemacht werden, einen Zusammenhang zwischen gestiegener Kriminalitätsrate und den Südosteuropäern lässt sich nicht von der Hand weisen. Um den Anforderungen begegnen zu können, wurde die Wache in Rheinhausen verstärkt. Dort arbeiten heute 55 Polizeibeamte.

Im vorigen Jahr war Dr. Bartels wie berichtet als Frau in einer Führungsposition zu einem Gespräch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel eingeladen. Zu ihrer Bekanntheit hat sicher beigetragen, "dass wir hier in Bezug auf die Sicherheitslage als Hotspot gelten". Denn neben Rumänen und Bulgaren, Demonstration von Rechten und Gegendemonstrationen von der anderen Seite hat Duisburg immer wieder Schlagzeilen gemacht wegen Auseinandersetzungen unter verfeindeten Rocker-Organisationen. Auch der Einsatz gegen diese gewaltbereiten, im Drogen- und Prostitutionsmilieu tätigen Kriminellen bindet die Polizei. Allein im vorigen Jahr leisteten die fast 3000 Beamten nahezu 52 000 Überstunden, die bezahlt beziehungsweise abgefeiert werden müssen. Vor dem Hintergrund, dass das Durchschnittsalter bei 49 Jahren liegt und die Krankheitsrate nahezu 8,5 Prozent beträgt, ist wohl leicht nachzuvollziehen, welche personellen Probleme die Präsidentin "nebenbei" lösen muss.

Um die Kollegen zu entlasten, die den hohen Belastungen des Berufes nicht mehr in allen Bereichen gewachsen sind, hat die promovierte Juristin in ihrer Behörde einige Veränderungen vorgenommen. So gibt es im Präsidium beispielsweise seit einiger Zeit ein Team, das die Aufklärung von Verkehrsunfallfluchten zum Schwerpunkt hat: gut für die Polizisten, die nicht mehr auf der Straße den Streifendienst verrichten müssen, gut aber auch für die Opfer von Unfallfluchten. Denn die Aufklärungsquote ist deutlich verbessert worden. Bei denen mit Personenschaden kann inzwischen bei fast jedem zweiten Fall der Verursacher ermittelt werden.

DAS GESPRÄCH MIT DR. ELKE BARTELS FÜHRTEN HILDEGARD CHUDOBBA UND SANDRA KAISER.

(RP)
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