Scheinbar paradoxe These Eine Integration, die Konflikte schafft

Die Veranstaltung mit Integrationsforscher Aladin El-Mafaalani im Lehmbruck-Museum bot kontroversen Diskussionsstoff.

 Der Integrationsforscher Aladin El-Mafaalani im Lehmbruck-Museum.

Der Integrationsforscher Aladin El-Mafaalani im Lehmbruck-Museum.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Eine Veranstaltung, die gut besucht ist und in schönem Ambiente stattfindet; ein Gast, der Interessantes zu sagen hat und die richtigen Worte findet; ein Publikum, das interessiert zuhört und in der Diskussion gut mitgeht – wer als Veranstalter oder Protagonist, Besucher oder Beobachter wünscht sich das nicht. So geschehen am Donnerstagabend, wo der renommierte Integrationsforscher Aladin El-Mafaalani im Lehmbruck Museum eingeladen war, um über sein Buch „Das Integrationsparadox“ zu sprechen und zu diskutieren. Insofern war die Veranstaltung keine Lesung, sondern der Autor, dessen Veröffentlichung 2018 eine „Zusammenfassung von zehn Jahren wissenschaftlichem Arbeiten“ sei, stellte einige darin verfasste Thesen vor.

Seine Hauptthese, die er als fragenden Untertitel für sein Buch wählte, lautet: „Warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt“. Das klingt paradox, ist es aber nicht, wenn man seiner Argumentation folgt. El-Mafaalani, Sohn syrischer Eltern, sagt: „Das Buch beschäftigt sich gar nicht mit Migration oder Religion, es beschäftigt sich allein mit der Gesellschaft und der Frage, was macht Migration mit der Gesellschaft und wie integrationsfähig ist unsere Gesellschaft überhaupt?“

Um diese Fragen zu beantworten,wirft er einen Blick weit zurück bis in die 1960er Jahre, wo man Menschen aus Südeuropa – allen voran Italien, Spanien und Portugal, später Jugoslawien und noch etwas später die Türkei – als (billige) Arbeitskräfte nach Deutschland anwarb und „Gastarbeiter“ zu ihnen sagte. Selbst in den 1970er und 1980er Jahren noch seien die Rahmenbedingungen für Integration hierzulande schlecht gewesen. „Heute ist in dieser Hinsicht alles besser“, sagt er und belegt das mit wissenschaftlichen Studien, Statistiken und Untersuchungen. Doch diese Verbesserung, so seine verblüffende Schlussfolgerung, führe zu gesellschaftlichen Konflikten.

Um diese, seine These anschaulich zu machen, beschreibt er Deutschland als eine Tischgesellschaft. Immer mehr Menschen, die in der Vergangenheit nicht Teil der Tischgesellschaft waren, wie zum Beispiel Frauen, Homosexuelle, Behinderte und eben auch Fremde, wollen vom gemeinsam Erschaffenen partizipieren. Sie alle sitzen nun mit am Tisch und wollen ein Stück vom Kuchen haben. Sie wollen mitbestimmen, was auf den Tisch kommt und wollen natürlich auch die Tischregeln mitgestalten.

„Warum soll es da jetzt harmonischer zugehen als früher?“, fragt El-Mafaalani. „Arbeiter und Frauen mussten sich ihre Rechte gegenüber Unternehmern und Männern doch auch erkämpfen und erstreiten. Nichts Anderes passiert jetzt bei den vermeintlich Fremden. Je etablierter man am Tisch sitzt, desto kritischer wird alles hinterfragt. Also mischen sich nun alle ein in die Debatte, wer oder was deutsch ist oder was Heimat bedeutet. Ein neues ‚Wir‘ wird ausgehandelt. Und natürlich wird es dabei ungemütlich.“

Wenn man also eine offene Gesellschaft wolle, so der 1978 in Datteln geborene Bestseller-Autor und gefragte Talk-Gast verschiedener TV-Sender, und nicht eine geschlossene, wie das weltweit die Populisten fordern, und Konflikte als Potenzial des Fortschritts und nicht als Kriegserklärung ansieht, dann muss man zulassen, dass alle bisher Ausgegrenzten an besagtem Tisch Platz nehmen.

Leider würde am Ende zu oft die negative Wahrnehmung der Menschen in Sachen Integration überwiegen, anstatt die doch tatsächlich positive Entwicklung sehen zu wollen.

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