Duisburg Humorvolles Plädoyer gegen Kategorien

Duisburg · Der ohne Unterarme geborene Pfarrer und Notfallseelsorger, Kabarettist, Autor und Weltklasse-Tischtennisspieler Rainer Schmidt sprach jetzt beim "Neujahrsempfang" des Evangelischen Schulreferats.

 Rainer Schmidt ist Kabarettist, Autor, Notfallseelsorger und Tischtennisspieler in Personalunion - und dabei äußerst humorvoll.

Rainer Schmidt ist Kabarettist, Autor, Notfallseelsorger und Tischtennisspieler in Personalunion - und dabei äußerst humorvoll.

Foto: Christoph Reichwein

Ein Neujahrsempfang um diese Zeit? Ist das nicht viel zu früh oder viel zu spät? Beim inzwischen traditionellen Neujahrsempfang des Evangelischen Schulreferates Duisburg/Niederrhein geht es aber nicht um den Wechsel eines Kalenderjahres, sondern um den Beginn eines neuen Schuljahres. Und das beginnt bekanntlich jeweils nach den Sommerferien. Dennoch kam der Neujahrsempfang dieses Mal drei Wochen später als geplant. Der Grund war der Gast der Veranstaltung, Rainer Schmidt. Dieser war nämlich für die ARD, so erklärte es Pfarrerin Bärbel Melnik vom Schulreferat in ihrer Begrüßung, bei den Paralympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro, die erst am 18. September zu Ende gingen. Seine Aufgabe dort war es, fünfmal von den Paralympics zu berichten, jeweils gut zwei Minuten lang, und zwar als Kabarettist in der Sendung "Rainers Mundwerk". "Und weil wir ihn unbedingt haben wollten", so Melnik weiter, "haben wir gewartet, bis er wieder zurück ist in Deutschland."

Nun war es dann soweit. Schmidt war da und zudem gut aufgelegt. Das Warten hatte sich für Besucher im evangelischen Gemeindehaus Meiderich gelohnt. Rainer Schmidt ist ein Schnellsprecher vor dem Herrn ("Ich rede sehr schnell und hoffe, dass sie dabei ebenso schnell zuhören können"), genauer gesagt aber mit den Worten des Herrn. Denn Schmidt ist evangelischer Pfarrer und ausgebildeter Notfallseelsorger sowie ehemaliger Dozent am Pädagogisch-Theologischen Institut in Bonn. Heute ist er vor allem freiberuflicher Referent, Moderator und Kabarettist ("Däumchen drehen"), Buchautor (Lieber arm ab als arm dran") und ein begnadeter, äußerst erfolgreicher Tischtennisspieler: Er ist nämlich vierfacher Goldmedaillengewinner bei den Paralympics sowie sechsfacher Weltmeister und neunfacher Europameister in dieser Disziplin. Nach den Spielen in Peking 2008 beendete er seine internationale Karriere.

Er kam 1965 ohne Unterarme, nur mit einem kleinen Daumen am linken Oberarm ausgestattet, und mit einem verkürzten rechten Oberschenkel zur Welt. Bedingt durch das "Femur-Fibula-Ulna-Syndrom", wie er sagt, fehlen ihm diese beiden Gliedmaßen und sein rechter Oberschenkel ist etwa 25 Zentimeter kürzer als der linke. Dies alles ist und war aber nie ein Grund für ihn, nicht Sport zu treiben. Er machte seine Berufung zum Beruf und predigt, verkündet und/oder vermittelt - je nachdem, wo er vor wem als was auftritt - seitdem auf äußerst unterhaltsame Weise - ob im Sinne von Dialog und/oder Vergnügen - seine hintersinnige, ernstgemeinte Mission: Den Traum von einer Menschen-Welt ohne Unterschiede. Seine These: "Die Kategorisierung von Menschen führt zu deren Stigmatisierung!"

Und so sprach er auf dem diesjährigen Neujahrsempfang, bei dem auch Superintendent Armin Schneider als derzeitiger Verbandsvorsitzender der Kirchenkreise Dinslaken, Duisburg, Kleve, Moers und Wesel zugegen war, über seine Kindheit, seine Eltern, seine Großmutter ("Handwerker wird der aber nicht!") und seine körperlich nicht eingeschränkten Geschwister, über Inklusion und gesellschaftliche Grenzerfahrungen damit und erzählte im zweiten Teil seines Vortrags nach der Pause zwei biblische Geschichten, nämlich die von der "Heilung des blinden Bartimäus" und die von der "Heilung eines Gelähmten", die beide (nicht nur) für Lehrkräfte an Schulen, die mit der Evangelischen Religionslehre betraut sind, gut geeignet seien. "Beide Beispiele", so Schmidt, "stehen nämlich dafür, dass Heil und Heilung zwar in einer Beziehung zueinanderstehen, doch aber verschieden sind, dokumentieren sie deutlich, dass Heil - der Glaube an das Evangelium - letztlich doch wichtiger ist, als die Heilung selbst."

All das machte er zwei wirklich kurzweilige Stunden lang - mit einer frechen Begrüßung ("Guten Abend, meine schwerversehrten Damen und Herren") am Anfang und einer kleinen Pause zwischendrin - äußerst spannend und authentisch, ohne fromme Sprache, dafür aber mit viel Humor - sowie einem nachdenklich stimmenden Gebet zum Schluss.

(RP)
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