Duisburg Hüpfen, grätschen, Mann anspringen

Duisburg · Der Rock'n'Roll-Verein Golden Fifties lud Neugierige zum Schnuppertraining ein. Vanessa Schneider trainierte in der heißen Sporthalle. Sie fand es echt spannend – und verdammt anstrengend.

 Vanessa Schneider probiert mit Trainer Frank Hermanns die ersten Schritt- und Sprungkombinationen.

Vanessa Schneider probiert mit Trainer Frank Hermanns die ersten Schritt- und Sprungkombinationen.

Foto: Andreas Probst

Der Rock'n'Roll-Verein Golden Fifties lud Neugierige zum Schnuppertraining ein. Vanessa Schneider trainierte in der heißen Sporthalle. Sie fand es echt spannend — und verdammt anstrengend.

Rock 'n' Roll ist nichts für Weicheier und Couch-Potatoes. Wen es bei 31 Grad im Schatten gut gelaunt in die stickige Turnhalle zieht, der muss diesen Tanzsport echt lieben. Oder neugierig sein, wie Vanessa Schneider. Von ihrer Freundin hatte die 34-Jährige von dem Schnuppertraining gehört. "Ich bin jetzt schon schweißnass, ohne dass ich mich bewege", sagte die junge Finanzbeamtin. "Hoffentlich kann ich das auch."

Trainer Frank Hermanns beruhigt. "Wir beginnen bei jedem Training mit dem Aufwärmen, um die Muskeln zu lockern und die Bänder zu dehnen." Laufen auf der Stelle, hüpfen auf der Stelle, Sit-Ups für den Bauch, Rücken strecken und rundmachen, auf dem Bauch liegen und paddeln. Alles noch kein Problem für die sportlichen Anfänger. Man schwitzt ja eh. Dann wird es ernst mit dem Tanzen: Der Rock'n'Roll-Grundschritt besteht aus Kicks, und die muss man üben. Bein hoch, bis der Oberschenkel in der Waagerechten ist, unteres Bein nach vorn schnellen lassen, zurückholen und wieder absetzen. Dann die gleiche Übung mit dem anderen Bein. Hört sich einfach an. "Ist es aber nicht", sagt Schneider. Zum kompletten Grundschritt kommt dann noch der Kick-Ball-Change hinzu. Bein anheben, kicken, hinter dem Standfuß absetzen und auf den anderen Fuß wechseln.

Keine Angst, dafür muss man nicht drei Semester Anglistik studiert haben. Aber: "Ich muss das erst mal in den Kopf reinkriegen", sagt Schneider. Kick-Ball-Change: "Kick rechts, Kick links", kommandiert der Trainer. Die Schnupperteilnehmer beeilen sich, die Füße zu sortieren. Es sieht aber schon gut aus. Trinkpause. Jetzt das Ganze mit Tanzpartner. Der Herr kickt nach außen, damit man sich nicht gegenseitig tritt. Frank Hermanns erklärt die Tanzhaltung. Auf der Stelle kicken, klappt schon gut. "Ich will nicht pingelig sein, aber ihr müsst das Bein anheben, dann kicken, dann ranziehen und dann absetzen", sagt er.

Hermanns drängt die Neuen weiter zur nächsten Lektion: der Platzwechsel. Die Damen müssen mit dem Kick-Ball-Change laufen lernen. Im Wechselschritt muss sich die Dame nach vorn bewegen. Dann Kick, Kick auf der Stelle, zwei Mal durch die Halle. Schneider wischt sich den Schweiß von der Stirn und guckt zweifelnd auf ihre Füße. "Ich muss immer noch Füße sortieren." Mit einem erfahrenen Tänzer an der Seite klappt der Platzwechsel problemlos. Vanessa koordiniert die Füße, Gerald, ihr Tanzpartner, führt.

Nach einer halben Stunde sieht alles schon nach erstem Rock'n'Roll aus. "Jetzt machen wir eine Wunschstunde", sagt Frank. "Was habt ihr Euch unter Rock'n'Roll vorgestellt?" Akrobatik, wirft eine Rock'n'Roll-Novizin in den Raum. Das ist genau das richtige Stichwort für den Trainer. Hermanns zeigt den neuen Damen die Grätsche. "Ihr fasst mit den Händen um den Hals des Herren und springt ihm mit gegrätschten Beinen in die Taille. Seht zu, dass ihr da selbstständig sitzen könnt. Mit geradem Rücken. So, als wenn der Herr euch nicht halten würde." Natürlich erst mal die Trockenübung: Hüpfen vor dem Herren. Für Fortgeschrittene heißt es danach: vor dem Herren gegrätscht hüpfen. Dann die Kombination: hüpfen, Beine grätschen, und den Mann "anspringen". Vanessa zögert. "Und wenn ich den Herren dabei umwerfe?" "Das passiert nicht, trau Dich", sagt Gerald Wandrey lachend. Der Vorsitzende des Vereins Golden Fifties tanzt mit seiner Partnerin Anne Turnier.

Überhaupt verletzen sich trotz atemberaubender Akrobaktiken die Paare beim Training sehr selten. Blaue Flecke indes kommen häufiger vor. "Wir haben im Training und im Wettkampf verschiedene Sicherheitsstufen", erklärt Wandrey. "Wenn ein Paar mit einer Akrobatik beginnt, geschieht das immer mit Vorübungen und Hilfestellungen", erklärt Wandrey. "Spring", ruft er Schneider zu, sie hüpft hoch, und schwupps sitzt sie in der Grätsche. "Das ist ja einfacher als der Tanzschritt", jubelt sie. Trainer Hermanns grinst. "Jetzt zeig ich Euch, wie ihr da wieder rauskommt und weiter tanzen könnt."

Zum Abschluss ist noch der Kniesitz dran. Der Trainer führt Schneider zu sich an die Seite. "Jetzt springst Du auf mein Knie", ordnet er an. "Tu ich dir auch nicht weh?", fragt sie vorsichtig. Aber dann springt sie und hockt mit angezogenen Beinen auf dem Knie des Trainers

Petticoat und Elvis-Musik sind im Rock'n'Roll-Verein Golden Fifties eher Nebensache. "Bei uns geht es nicht in erster Linie um den Lebensstil der 50er und 60er Jahren. Wir verstehen uns als Sportverein" sagt Wandrey. "Rock'n'Roll ist ein ideales Allround-Training", ergänzt Turnier-Tänzer Torsten Mehring. Viele Leute, so glaubt er, würden bei Rock'n'Roll an die Tänze im Petticoat denken. "Das trifft auf Boogie-Woogie zu. Rock'n'Roll ist Sport mit Musik. Und nirgendwo sonst gibt es die Gelegenheit, eine Dame durch die Gegend zu werfen?!", scherzt Mehring.

Zum Schluss zeigen Wandrey und seine Tanzpartnerin Anne, wie es aussieht, wenn man mehr als ein Jahr Training hinter sich hat: Salti fliegen über den Köpfen, und andere Hebefiguren lassen den Atem stocken. "Wow, da sind ja richtig viele Akrobatiken drin. Ich konnte vor Aufregung gar nicht klatschen", gibt Schneider zu.

(RP)
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