Nach Beleidigung eines Ordnungsamt-Mitarbeiters Gerichtsverhandlung statt Knöllchen

HÜCKESWAGEN / Wipperfürth · Weil ein Duisburger einen Ordnungsamt-Mitarbeiter beleidigte, stand er vor Gericht.

Der Umgangston wird rauer: Das bekommen auch Mitarbeiter des Ordnungsamtes zu spüren, die im Auftrag der Stadt Knöllchen verteilen. Sie müssen sich von uneinsichtigen Autofahrern manches anhören, bisweilen auch üble Beleidigungen. Ein solcher Fall hatte jetzt ein Nachspiel vor dem Amtsgericht in Wipperfürth, weil der Hückeswagener Bürgermeister als Chef der Stadtverwaltung Strafanzeige gegen einen Beleidiger erstattet hatte – wohl auch, um ein Zeichen zu setzen: Städtische Ordnungskräfte sind kein Freiwild, die jeder nach Lust und Laune beschimpfen darf, nur weil sie ihre Arbeit tun.

Angeklagt war ein 53-jähriger Duisburger. Er hatte an einem Tag im vorigen August sein Wohnmobil auf dem für Elektroautos reservierten Parkplatz an der Ladesäule auf dem Etapler Platz in Hückeswagen abgestellt, um in der nahen Bäckerei Brötchen zu kaufen. Als er zurückkehrte, sprach ihn aus einigen Metern Entfernung ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes an, der gerade dabei war, an anderer Stelle ein Knöllchen zu schreiben. Er bat den Mann, zu ihm zu kommen. Die Antwort des Wohnmobilfahrers: „Komm Du doch zu mir, wenn Du was willst“. Auf die Frage des Richters, warum er den städtischen Mitarbeiter geduzt habe, reagierte der Angeklagte nur mit einem Schulterzucken.

Entscheidender als das Duzen war im Prozess, dass der Duisburger seinem Satz noch ein „Du Arschloch“ hinzugefügt hatte. Das bestritt der Angeklagte. Er habe nur gesagt „du Arsch“. Wobei dieser feine Unterschied die Sache nicht besser machte. „Auch ohne den Zusatz ,-loch‘ ist das ohne Zweifel eine Beleidigung“, stellte der Richter klar. Letztlich sah das auch der Angeklagte ein.

Er habe damals im Affekt reagiert. Es sei ein sehr heißer Tag gewesen. Und er habe sich unter Stress gefühlt. Das passiere ihm häufig, denn nach Jahren des sexuellen Missbrauchs und häuslicher Gewalt in seiner Kindheit leide er unter einem schweren Trauma. Die dringend notwendige Therapie habe er abbrechen müssen, weil die Krankenkasse die Kosten nicht übernommen habe. Wegen der Folgen des Missbrauchs sei er erwerbsunfähig, lebe von einer kleinen Rente und mit seinem Wohnmobil auf der Straße. Durch den Mitarbeiter des Ordnungsamtes habe er sich provoziert gefühlt.

Dass er niemanden habe provozieren wollen, sagte der als Zeuge geladene städtische Mitarbeiter aus. Es passiere oft, dass Autofahrer kurz an der Ladesäule parkten, obwohl sie das nicht dürften, um schnell etwas in der Bäckerei einzukaufen. „Dann schreibe ich nicht gleich ein Knöllchen sondern warte ein paar Minuten, bis derjenige zum Auto zurückkommt. Ich weise ihn auf seinen Fehler hin – und damit ist es dann auch gut“, schilderte er seine Arbeitsweise. Und ergänzte auf Nachfragen des Richters: „Wir handhaben es grundsätzlich so in Hückeswagen, dass wir es erst einmal im Guten versuchen und die Leute belehren statt gleich ein Knöllchen zu schreiben.“ Genauso habe er es auch im Fall des Duisburgers machen wollen, der dann aber sofort aufgebraust sei.

Im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft stellte der Richter das Verfahren gegen den nicht vorbestraften Mann ein, weil das Verschulden als gering anzusehen sei, ebenso das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung. Die Vorgeschichte des Angeklagten, also seine schlimme Kindheit und das Trauma, spielten dabei eine Rolle. Allerdings gab der Richter dem Mann eine Ermahnung mit auf den Weg: „Es kann passieren, dass einem eine Beleidigung raus rutscht – aber es darf nicht passieren. Der Mitarbeiter des Ordnungsamtes hat nur seinen Job gemacht und das  sehr freundlich. In anderen Kommunen als Hückeswagen gibt es keine mündliche Verwarnung. Da ist sofort ein Knöllchen fällig.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort