200 Duisburger stehen auf der Straße „Was ist das für eine Art, mit Menschen umzugehen?“

Duisburg · Mehr als 200 Mieter mussten am Donnerstag ihre Wohnungen in Duisburg wegen Brandschutzmängeln räumen. Die Anordnung kam von der Stadt und war alles andere als organisiert: Manche Mieter mussten innerhalb von 30 Minuten ihre Wohnungen verlassen.

Duisburg-Homberg: Bewohner müssen zwei Häuser wegen Brandschutzmängeln verlassen
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Stadt Duisburg lässt zwei Häuser in Homberg räumen

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Foto: dpa/Christoph Reichwein

Die Situation erinnert an die Notlage bei einer Bomben- oder Terrordrohung - nicht aber an eine von der Stadt Duisburg organisierte Evakuierung: In Duisburg mussten mehr als 200 Menschen ihre Wohnungen in zwei Hochhäusern im Stadtteil Homberg verlassen. Der Grund sind eklatante Brandschutzmängel, die von der Stadt festgestellt worden waren. Von einem Tag auf den anderen wurden die Bewohner über die Räumung informiert. Teils nicht einmal eine Stunde zuvor: „Bei mir haben sie gestern um 18.30 Uhr geklopft und gesagt, dass ich bis 19 Uhr meine Wohnung zu verlassen habe. Ich habe natürlich auf die Schnelle nicht alles, was ich jetzt brauche, mitnehmen können“, sagt der 60-jährige Andreas Kanigowski unserer Redaktion.

Auch Dieter Over wurde von der Maßnahme der Stadt überrascht. Er lebt seit 17 Jahren in einem der beiden Gebäude. “Das ist traurig und eine absolute Frechheit”, sagt er. “Ich wollte gestern los zur Arbeit. Und dann hieß es plötzlich, ich bekäme vier Stunden Zeit, um mein ganzes Leben zusammenzupacken. Was ist das für eine Art, mit Menschen umzugehen?” Sein Chef habe nur wenig Verständnis gehabt. Da hieß es, wenn ich heute nicht komme, bräuchte ich gar nicht mehr wiederzukommen.”

Wer nicht bei Familie oder Freunden unterkommen konnte, der konnte in eine Notunterkunft der Stadt gehen, in das Flüchtlingsheim Memelstraße in Neudorf. Beatrix Both führt eine Trinkhalle in Sichtweite der Gebäude: “Schrecklich, was den Leuten da passiert”, sagt sie. “Ich kenne viele von ihnen schon seit vielen Jahren.” Von einer Minute auf die andere auf der Straße zu stehen. Sie wolle sich gar nicht ausmalen, wie es den Bewohnern damit gehe. “Man hat viele der Mieter auch von ihren Tieren getrennt“, berichtet sie. “Die durften nicht mit in die Notunterkunft und mussten ins Tierheim.” Eine Bekannte habe ihr gesagt, sie wolle lieber auf der Parkbank schlafen als ihren Hund abzugeben.

In der Notunterkunft an der Memelstraße übernachten die Singles in Dreier- oder sogar Viererzimmern. Die Toiletten und Duschen sind auf dem Flur. „Die Unterkunft ist wirklich spartanisch“, sagt Matthias Heußner (43). Auch darüber, dass sie in einer solchen Notunterkunft schlafen müssen, wurden die Mieter erst kurzfristig informiert: „Am Freitagmorgen gegen 9.30 Uhr wusste ich nicht, wie es weitergehen soll. Die Gerüchteküche brodelt“, sagt Heußner. „Erst gegen 18.30 Uhr wurde mir gesagt, dass ich mich beeilen muss, wenn ich den Bus zur Notunterkunft an der Memelstraße um 19 Uhr bekommen möchte.“ Er hat das noch geschafft. Andere Mieter hatten das Glück nicht, wurden dann aber trotzdem noch abgeholt.

„Die Informationspolitik der Stadt ist wirklich schlecht“, sagt Ingrid Porschhöfer. Sie lebt seit 2005 in einem der Hochhäuser. „Das Schlimmste ist, dass nun keiner weiß, wie es weitergeht.” Sie rechnet nicht damit, zeitnah in ihr Heim zurückkehren zu können. „Im Gegenteil“, sagt sie. „Ich glaube nicht, dass ich überhaupt jemals hierher zurückkommen kann.“

Neue Informationen zum weiteren Vorgehen will die Stadt Duisburg ab 13 Uhr geben.

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