Duisburg Hexenbuch bleibt aktuell

Duisburg · "Sagt, was ich gestehen soll", heißt das Sachbuch von Hetty Kemmerich, das nun in dritter Auflage erscheint. Die Duisburger Autorin räumt mit Irrtümern über die historische Hexenverfolgung auf, sieht aktuelle Bezüge.

Das Thema "Hexen" blieb in den Medien auch in den vergangenen Jahren präsent. Es ging dabei z. B. um aktuelle Hexerei-Phänomene in Afrika, Asien und Südamerika, aber auch um die Rehabilitation von Hexenopfern der Frühen Neuzeit. Die Nachfragen zur historischen Hexenverfolgung in Europa ermutigten Hetty Kemmerich aus Duisburg zu einer dritten überarbeiteten Auflage ihres Buches: "Sagt, was ich gestehen soll."

Dieser Titel, eine verzweifelte Aufforderung an die Richter, stammt von der als Hexe angeklagten Anna Katharina Spee aus Bruchhausen/Bad Honnef im Jahr 1631. Sie hatte die unsinnigen Fragen zur Hexerei wahrheitsgemäß immer wieder verneint und wurde deswegen weiter gefoltert. Davon geschwächt, war sie nach tagelangen Torturen offenbar bereit, alles Unmögliche zu bestätigen, um durch das ohnehin sichere Todesurteil möglichst bald von den Schmerzen erlöst zu werden...

Hetty Kemmerich (Jahrgang 1944), die nach einem Geschichts- und Deutschstudium als Lehrerin arbeitete, beschäftigt sich seit 1980 mit den historischen Hexen und stellt fest, dass darüber bis heute viel Unsinn in Umlauf ist:

Die Gerichtsverfahren mit den erfundenen und unbeweisbaren Verbrechen geschahen nicht im Mittelalter, sondern zur Frühen Neuzeit, das heißt die Jahre von ca. 1430 bis 1782. Es wurden in Europa nicht Millionen, sondern ungefähr 60 000 Menschen hingerichtet - davon ca. 25 000 in Deutschland - mit insgesamt etwa 80 Prozent Frauen und Mädchen, 20 Prozent Männer und Jungen. Opfer waren nicht ausschließlich Hebammen oder "weise Frauen", sondern überwiegend einfache Frauen aus der Unterschicht. Die Hexenprozesse führten keine kirchlichen Gerichte durch, sondern weltliche Gerichte mit weltlichen Richtern und Schöffen. Verfolgungen gab es in katholischen und reformierten Regionen, usw. Solide Studien veröffentlichten u. a. die Wissenschaftler/innen vom Arbeitskreis interdisziplinäre Hexenforschung, gegründet 1985. Die aktuellen Erkenntnisse hat Hetty Kemmerich in drei unabhängigen, aber sich ergänzenden Teilen ihres Buches zusammengefasst: Der erste Teil informiert über die Ursachen und Auswirkungen des Hexereidelikts. Der zweite Teil beschreibt ausführlich 56 Schicksale vom Niederrhein: 44 Frauen, 8 Männer, 4 Kinder. Der 3. Teil enthält eine umfangreiche, bisher einzigartige Chronik mit ca. 700 hingerichteten Hexenopfern – von etwa insgesamt 1000 Opfern am des Niederrheins. Bereits nach den ersten beiden Auflagen 2003 und 2004 erhielt die Autorin positive Rückmeldungen. Das Buch ist gut lesbar, fokussiert die Hintergründe der historischen Hexenverfolgung und enthält eine umfangreiche, aktualisierte Literaturliste.

Die Autorin hält die Auseinandersetzung mit dem Hexereiphänomen auch nach so langer Zeit für sinnvoll, denn die Mechanismen der Hexenverfolgung sind weiterhin wirksam. Wer das Unrecht der Hexenverfolgung versteht, werde auch sensibel für das Unrecht von heute.

(RP)
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