Duisburg Halber Abschied von der Gemeinde

Duisburg · Am Sonntag verabschiedet sich Hauke Faust von seiner Gemeinde in Großenbaum-Rahm, wo er mit halber Stelle als evangelischer Pfarrer arbeitete. Jetzt arbeitet er ausschließlich als Gefängnisseelsorger in Hamborn und in Kleve.

 Die Gefängnisseelsorge wird also ab sofort zu 100 Prozent das berufliche Wirken von Hauke Faust als evangelischer Seelsorger bestimmen.

Die Gefängnisseelsorge wird also ab sofort zu 100 Prozent das berufliche Wirken von Hauke Faust als evangelischer Seelsorger bestimmen.

Foto: Christoph Reichwein

Leicht fällt es Hauke Faust nicht, seine halbe Pfarrstelle in Großenbaum aufzugeben. Weshalb er es trotzdem tut, hat er klipp und klar vor kurzem im "Gemeindegruß" geschrieben: "Als das Presbyterium im Herbst 2014 beschlossen hatte, die halbe Stelle in Großenbaum-Rahm bis 2020 aufzugeben, war für mich klar, dass ich mich nach anderen Möglichkeiten umsehen sollte. Ich bin froh, dass ich in der Gefängnisseelsorge bleiben kann, da mir die Arbeit mit Gefangenen immer schon ein besonderes Anliegen gewesen ist."

Die Gefängnisseelsorge wird also ab sofort zu 100 Prozent das berufliche Wirken von Hauke Faust als evangelischer Seelsorger bestimmen. Ein Feld, das er sehr gut kennt. Seit dem Jahr 2004 ist Faust Pfarrer in der Justizvollzugsanstalt Hamborn. Als vor einigen Monaten die JVA in Kleve einen evangelischen Gefängnisseelsorger suchte, bewarb er sich - angesichts der befristeten Berufstätigkeit als Gemeindepfarrer - um diese Stelle. Der Kreissynodalvorstand des Kirchenkreises Kleve lud ihn ein, sich vorzustellen. Faust hielt im Klever Gefängnis einen Gottesdienst mit Predigt und sprach anschließend mit den Gefangenen. Offenbar machte er das so überzeugend, dass ihn die Synodalen, die als Zuhörer und Beobachter dabei waren, als Gefängnisseelsorger mit halber Stelle beriefen. Nun pendelt Hauke Faust beruflich zwischen den JVAs in Hamborn und Kleve.

Faust ist ein Mensch, der Herausforderungen nicht scheut. Das zeigt auch sein Werdegang, selbst, wenn man ihn nur ganz kurz skizziert: Geboren wurde Hauke Faust 1961 in der Nähe von Husum (deshalb der norddeutsche Vorname); aufgewachsen ist er in Gruiten bei Wuppertal. Nach dem Studium in Wuppertal und Heidelberg und einer Vikariatszeit im oberbergischen Rösrath entschloss er sich, eine Zeit lang in Kopenhagen, wo er mal Urlaub gemacht hatte, zu leben. Von 1990 bis 1993 arbeitete er in der dänischen Metropole als ambulanter Alten- und Krankenbetreuer. In dieser Zeit lernte er nicht nur die dänische Sprache kennen, sondern auch seinen Lebenspartner Lars, mit dem er mittlerweile seit 26 Jahren zusammen ist. Zurück in Deutschland, wurde er zunächst Assistent im Fach Philosophie an der Uni in Jena; anschließend absolvierte er den für Pfarrer vorgeschriebenen Hilfsdienst in der Eifel, machte erste Erfahrungen als Gefängnisseelsorger in einer Jugendstrafanstalt im Saarland, bevor er als Pastor im Sonderdienst für den christlich-islamischen Dialog und dann eben als Gefängnisseelsorger nach Duisburg kam. Von Januar 2011 bis jetzt war er, je zur Hälfte, Pfarrer in der Gemeinde Großenbaum-Rahm und in der JVA Hamborn.

Alles, was man so hört, zeigt, dass die Gemeinde in Großenbaum-Rahm Hauke Faust mag, und Hauke Faust mag seine (bisherige) Gemeinde. Im Gespräch sagt er das, was er auch im erwähnten Gemeindegruß geschrieben hat: "Ich finde, Sie können sich sehr über Ihre lebendige Gemeinde freuen, in der so viele Menschen ehrenamtlich Verantwortung tragen. Ich habe bei Ihnen eine offene Gemeinde schätzen gelernt, die mit hoher Sachkompetenz, Kreativität und Verbindlichkeit eine zeitgemäße Form der Frömmigkeit lebt."

Das Wort "Frömmigkeit" wird den meisten Gefängnisinsassen in Hamborn und Kleve wohl fremd vorkommen. Hauke Faust weiß, dass die meisten der rund 250 Häftlinge mit Kirche wenig oder gar nichts zu tun haben. Sie sind "glaubens- und kirchenfremd". Trotzdem besuchen rund 40 Untersuchungs- und Strafgefangene die evangelischen und katholischen Gottesdienste in der JVA; wobei es den meisten wohl egal ist, ob ein katholischer oder evangelischer Seelsorger am Altar steht. "Die Gefangenen fragen nicht nach der Konfession, sondern wählen zwischen mir und meinem katholischen Kollegen nach Sympathie", sagt Faust, der das gute ökumenische Miteinander im Gefängnisalltag schätzt.

Neben den Gottesdiensten besteht die Arbeit des Gefängnisseelsorgers darin, als Gesprächspartner und Beistand zur Verfügung zu stehen. Den meisten Gefangenen sei klar, dass er eine andere Aufgabe als ein Sozialarbeiter, Rechtsanwalt oder auch Psychologe hat. Die Gefangenen wüssten, dass sie mit Hauke Faust jemanden vor sich haben, der zuverlässig und verschwiegen ist, der keine Aktennotizen macht und dem man Dinge erzählen kann, die man anderen nicht erzählt. Faust sieht seine Aufgabe darin, den Gefangenen als Menschen zu sehen, der nicht allein durch seine Taten oder Untaten definiert ist.

Dabei darf Faust natürlich nicht gleich bei Gesprächen mit den Gefangenen mit der theologischen Tür ins Haus fallen. Das Zuhören, Nachfragen und Antworten muss bei Gefangenen vielleicht mit noch mehr Bedacht geschehen als bei Menschen mit geradlinigem Lebenslauf. Hauke Faust, das merkt man beim Gespräch, kann das.

Die Kirchengemeinde verabschiedet Pfarrer Hauke Faust mit einem Gottesdienst in der Versöhnungskirche, Lauenburger Allee 21, am Sonntag, 5. Februar, um 11.15 Uhr. Faust wohnt auch weiterhin in Großenbaum, künftig als "ganz normales Gemeindeglied".

(pk)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort