Tabuthema Gewalt an Schulen in Duisburg

Duisburg · Gewalt an Schulen ist auch in Duisburg ein aktuelles Thema, wie überall im Lande. Wibke Poth und Michael Fuchs vom Verband Bildung und Erziehung wollen das Problem aus der Tabuzone holen. Es fehlen Lehrer und Sozialarbeiter.

Die kürzlich veröffentlichten Zahlen sorgen für Aufsehen. Nach einer Studie, die vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Auftrag gegeben wurde, berichten Schulleiter von 35 Prozent aller Schulen in Nordrhein-Westfalen von körperlicher Gewalt gegen Lehrer an ihrer Schule. Bundesweit liegt nach dieser Umfrage der Wert bei "nur" 26 Prozent. Eine Folgerung aus dieser Repräsentativbefragung, die vom Berliner forsa-Institut für Politik- und Sozialforschung durchgeführt wurde, liegt auf der Hand: Auch an Duisburger Schulen gibt es Probleme mit Gewalt.

Die in Duisburg wohnende und in Oberhausen unterrichtende Lehrerin Wibke Poth als stellvertretende Vorsitzende des VBE-Landesverbands und Michael Fuchs, Vorsitzender des Duisburger VBE, zeigten sich gestern bei ihrem Redaktionsbesuch etwas skeptisch gegenüber der Aussagekraft dieser Statistik. Das Ausmaß der Gewalt-Erfahrung werde da nicht näher erläutert; es sei schließlich ein Unterschied, ob an einer Schule mit 900 Schülern mal ein einziger ausrastet oder ob ganze Schülergruppen gewaltbereit seien. Richtig sei es aber, dass das Thema Gewalt gegen Lehrer aus der Tabuzone geholt werde.

Es komme durchaus vor, dass Kinder Lehrern vors Schienbein treten und mit Gegenständen bewerfen. Leider würden viele Lehrerinnen und Lehrer solche Vorfälle für sich behalten, weil sie den Grund für ein solches Fehlverhalten von Schülern auf eigenes mangelhaftes pädagogisches Geschick zurückführten. "Viele Lehrer fühlen sich als Einzelkämpfer, die mit Problemen selber fertig werden wollen und aus falscher Scheu über die Vorfälle schweigen", sagt Michael Fuchs. Er und Wibke Poth hoffen, dass die aktuelle Gewaltdiskussion dazu führt, dass dieses Verschweigen ein Ende hat.

Fuchs, der selber als Lehrer an einer Grundschule in Bruckhausen, "Brennpunkt-Erfahrungen" hat, sagt: "Wir wissen, dass es gelingen kann, eine weitgehend gewaltfreie Umgebung zu schaffen, wenn es an der Schule eine effektive Sozialarbeit mit Akzeptanz bei Eltern und Lehrern gibt." Dazu gehöre ein Konzept mit einem Maßnahmekatalog. An seiner Schule gebe es beispielsweise eine Sozialarbeiterin, die gegebenenfalls zu den Eltern der Schüler nach Hause fährt, wenn diese der Aufforderung zum Lehrergespräch nicht nachkommen. Wichtig sei konsequentes Handeln, vergleichbar der Null-Toleranz-Strategie der Polizei gegenüber Straftätern.

Nicht immer müsse man bei Fehlverhalten der Schüler die "große Keule" schwingen. Wibke Poth erzählte von einem Schüler, der sie "als dumme Kuh" beschimpft habe. Da habe es ausgereicht, diesen Schüler sehr energisch mit Worten zu maßregeln und sich dabei der Solidarität der Klasse zu vergewissern. Das habe dauerhaft geholfen. Andere Maßnahmen könnten sein, den Schüler eine Woche in einer Parallelklasse unterzubringen, was meist auch die gewünschte Wirkung habe. Zeigten sich Eltern gewaltbereiter Schüler absolut uneinsichtig und förderten sogar noch deren Verhalten, müsse man das Jugendamt einschalten oder im Extremfall den Schüler von der Schule verweisen, was an den Schulen von Wibke Poth und Michael Fuchs bislang aber noch nicht geschehen sei.

Damit an den Schulen konsequent gehandelt werden kann, müssten die Voraussetzungen stimmen. Dazu gehöre eine genügend große Zahl von Sozialpädagogen und Sozialarbeitern, die nicht nur mit Zeitverträgen an Schulen arbeiten, sondern dort dauerhaft beschäftigt seien. Und nicht zuletzt müsse der Lehrermangel beseitigt werden, damit die Klassenstärke nicht über 25 Schülern liegt. Nach wie vor, so Michael Fuchs, fehlten alleine an den Duisburger Grundschulen aktuell 70 ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer. Auch müssten in den sogenannten Inklusionsklassen verlässlich Sonderpädagogen eingesetzt werden, "die körperlich anwesend sind und nicht nur als Stellenzuweisung auf dem Papier stehen". Nicht zuletzt sollten die Fortbildungsangebote für Lehrer ausgebaut werden. Referenten gebe es durchaus, die raten können, was ein Lehrer tun kann, "wenn Nervensägen an den Nerven sägen".

Die Debatte um Gewalt an den Schulen führe hoffentlich dazu, so Poth und Fuchs, dass sich Lehrer bei Gewaltproblemen nicht im Stich gelassen fühlen. Dass negative Schlagzeilen positive Wirkungen haben können, zeige die berüchtigte Rütli-Schule in Berlin-Neukölln: 2006 war sie als Schläger-Schule bundesweit berüchtigt, heute gilt sie als Vorbildschule.

(pk)
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