Rp-Serie China 8 Geschichte malen: Alles ist möglich

Duisburg · Die RP stellt in einer Serie ausgewählte Werke der "China 8"-Schau vor. Heute steht Yan Pei Ming im MKM im Mittelpunkt.

 Yan Pei-Mings Bilder sind immer monochrom, er beschränkt sich auf Schwarz und Weiß.

Yan Pei-Mings Bilder sind immer monochrom, er beschränkt sich auf Schwarz und Weiß.

Foto: Reichwein

Im Alter von 20 Jahren verließ Yan Pei Ming 1980 China, um in Europa Kunst zu studieren. In seiner Heimat kannte man damals die europäische Kunst bis zum Impressionismus und war den neuen Dingen gegenüber skeptisch. Beliebt waren Motive von van Gogh und Monet, die bis heute gern in allen gewünschten Größen kopiert werden.

Für den jungen Studenten war dies nicht interessant genug und er schrieb sich an der Ecole de Beaux Arts in Dijon ein, wo er heute als Professor arbeitet. Der Weg nach Frankreich war für Yan Pei Ming nicht nur künstlerisch wichtig, sondern verhalf ihm auch zum sozialen Aufstieg. Als Arbeiterkind aus der untersten sozialen Schicht hatte er nach eigener Aussage keine Chance und fühlte, dass sein Platz nicht in China war. In Frankreich, so stellte er sich vor, habe ein Künstler auch ohne besondere soziale Herkunft die Möglichkeit zum Erfolg.

Dies schätzt er bis heute an Frankreich und Europa. Die für ihn neue Kunst eines ganzen Jahrhunderts - vom Impressionismus bis in die Gegenwart - war für ihn faszinierend. Dennoch blieb seine Kunst auf den ersten Blick eher traditionell. Ab 1987 malte er vor allem Köpfe: von Mao bis Bruce Lee, Menschen aus dem kulturellen Umfeld des Künstlers, später Obama und auch arabische Politiker und Scheichs, die seine Kunst sehr schätzen. Die Bilder von Yan Pei-Ming sind immer monochrom und er beschränkt sich auf Schwarz und Weiß, sowie alle daraus möglichen Mischungen. Er glaubt so, die schwere Bürde der Vergangenheit, die Last der großen alten Meister besser hinter sich lassen zu können.

In der Ausstellung "China 8" im Museum Küppersmühle werden vier teils großformatige Werke des Künstlers gezeigt. Ein aus zwei Teilen bestehendes großes Gemälde (vier mal sechs Meter) zeigt ein Rudel Affen, die höchst aufgeregt beobachten, wie einige Löwen sich über eine Herde Rinder hermachen. Über allem kreisen drei Adler, deren Blick nach unten eine zusätzliche Aufheizung der Situation darstellt, denn die mächtigen Vögel scheinen sich schon auszumalen, was für sie angesichts der zu erwartenden Opfer dort abfallen könnte.

Der Künstler nennt sein Bild "Der Osten von Eden". Aber sieht so das Paradies aus? Selbst nach dem Sündenfall war das Chaos nicht so heftig wie hier. Oder liegt der "Osten" hier "Jenseits von Eden"? Die erste Ratlosigkeit regt zu weiterer Recherche an und führt unter anderem in die Bibliotheken und Archive zur mittelalterlichen Kunst.

Einst sah man die Erde als Scheibe an und man vermutete das Paradies im Osten, wo Asien lag. Stellt also Yan Pei-Ming hier seine Heimat dar? Oder folgt er der Ansicht, dass - der Genesis folgend - die paradiesischen Flüsse den realen der Erde gleichzusetzen seien? In dieser Überzeugung verlegte man das irdische Paradies in Richtung Äquator und dann fließen auf den Mittelalterlichen Darstellungen im Osten die Flüsse Euphrat und Tigris.

Dort, wo sich heute Syrien, Iran und Irak befinden und damit eine der höchst konfliktreichen Regionen der Welt. Gleich wie man dies deutet - es bleibt eine krisenhafte Situation, die das aktuelle Geschehen reflektiert. Krieg und Konflikte beherrschen im arabischen Raum den Alltag und auch das China von Heute ist nicht eine als rein pazifistisch ausgerichtete Region zu sehen. Zu sehr sind die gesellschaftlichen Unterschiede inzwischen entwickelt.

Fast wie eine Fortsetzung des Themas hängen gegenüber als Tableau angeordnet 150 Porträts wichtiger Personen des gesamten arabischen Raumes. Die Arbeit "Frühling. Sommer. Herbst. Winter." wurde für eine Ausstellung 2013 im arabischen Katar in Auftrag gegeben. In der Stadt der Austragung der Fußballweltmeisterschaft 2022 gibt es seit fünf Jahren das erste Museum für zeitgenössische Kunst im arabischen Raum. Ein Scheich investiert(e) viel Geld in dieses Haus, in dem hochkarätige Ausstellungen der wichtigsten Künstler der Gegenwart gezeigt werden.

Yan Pei-Mings Porträts zeigen Persönlichkeiten aus Politik, Sport und Kultur. Sie hängen ohne Abstand zueinander und ergeben so eine geschlossene Fläche, die sowohl wie Gedenktafeln wirken mögen, als auch ein Who-is-Who der arabischen Welt darstellen. Erstaunlich ist, dass hier Despoten wie Osama bin Laden einträchtig zum Beispiel fast neben der weltberühmten iranischen Architektin Zaha Hadid und dem Schauspieler Omar Sharif hängen.

Aber so sieht Yan Pei-Ming den arabischen Raum: Alles ist möglich. Wie wohl eine ebensolche Zusammenstellung für Europa aussähe? Der Künstler hat die Porträts als Aquarell nach Fotografien gefertigt und folgt damit einer Arbeitsweise, die der Maler Gerhard Richter für seine 1971 gemalten 48 Porträts bedeutender Personen wählte, die die Moderne beeinflussten (Museum Ludwig in Köln). Auch Richter wählte Schwarz-weiß für die Ölgemälde.

Somit ordnet sich Yan Pei-Ming in die Moderne Europas ein und es liegt die Frage nahe, ob er ein "chinesischer Künstler" ist und für sein Land typische Themen und Arbeitsweisen verwendet. Oder aber, ob diese herkunftsspezifische Kategorisierung im Zeitalter globaler Denk- und Sichtweisen nicht längst überfällig ist.

(RP)
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