Thema Der Schwarze Freitag Am 25. Oktober 1929 Geschäftige Großstadt in freiem Fall

Duisburg · Eine Katastrophe bahnt sich am 25. Oktober 1929 an: Die Weltwirtschaftskrise zu Beginn der 1930-er Jahre traf die Stadt besonders hart. Manche Parallelen zur heutigen Situation drängen sich auch 84 Jahr später auf.

Anfang der 30-er Jahre hat Duisburg mit 34,1 Prozent die höchste Arbeitslosenquote des deutschen Reiches. Die Parallelen zu heute: die internationale Banken- und Schuldenkrise, die kommunale Finanzsituation, die hohe Zahl an Langzeitarbeitslosen beziehungsweise der Hartz IV-Bezieher, die Probleme der Stahlindustrie und Betriebsstilllegungen.

Duisburg vor 84 Jahren: Mit Wirkung vom 1. August 1929 wird Hamborn mit der Stadt Duisburg und den Ortschaften Huckingen, Mündelheim und Rahm zur neuen Stadt Duisburg-Hamborn vereinigt. 441 389 Einwohner wohnen in den neuen Stadtgrenzen. Damals ist von einer Krise noch nichts zu spüren. Im Gegenteil, wer die Stadt damals besucht, erlebt eine geschäftige Großstadt. Im Hafen herrscht Hochbetrieb, Waren aus aller Welt werden entladen und deutsche Produkte in alle Welt exportiert. In Duisburg haben viele Branchen volle Auftragsbücher. Der Krieg liegt jetzt mehr als ein Jahrzehnt zurück, und die Menschen hoffen, dass auch seine Folgen nach und nach überwunden werden. Die Grundstimmung ist durchaus optimistisch. Café Dobbelstein feiert sein 71-jähriges Bestehen und ist bei den Duisburgern ein beliebter Treffpunkt.

Wer die Straße überquert, muss sich in Acht nehmen, denn der Autoverkehr nimmt ständig zu. Duisburgs Arbeiter und kleine Angestellte können sich zwar kein Auto leisten – aber sie können günstig einkaufen, zum Beispiel in den Kaufhäusern der Duisburger Innenstadt. So ist das Kaufhaus "Cohen & Epstein" in der Stadtmitte bei der Duisburger Bevölkerung sehr beliebt.

Auch der Ausverkauf bei Karstadt findet 1929 viele Besucher. Das Gebäude liegt zentral an der Münz- / Ecke Poststraße (Heute Ausgang der Königsgalerie). Gleich gegenüber, dort wo sich heute ein freier Platz und die Glaspavillons befinden, steht das "Kaufhaus Hanisch". Bei einigen Bürgern bleibt oft noch Geld für eine Kinokarte übrig, vielleicht sogar für den Besuch des "Provinzial-Theater" in das 1929 mit Duisburg zusammengelegte Hamborn, das über stattliche 878 Sitzplätze verfügte.

Allein in Hamborn gab es vor dem Zweiten Weltkrieg neun Lichtspielhäuser. In den 20-er Jahren wurden die Stummfilme in den Kinos auf dem Klavier begleitet, aber der Tonfilm verdrängte mit Beginn der 30-er Jahre die Stummfilm-Ära. Ein Kinobesuch ist Vergnügen pur, ein Ausflug in die große weite Welt. Es zieht die Menschen in den schönsten Stunden der Freizeit in die Lichtspielhäuser, um Stummfilme wie zum Beispiel "Das Tagebuch einer Verlorenen" oder "Die Büchse der Pandora" zu sehen. Kulturelle Vielfalt spiegelt 1929 die Inszenierung des avantgardistischen Tanzdramas "Salambo" im Stadttheater Duisburg wider.

Der Verein für Literatur und Kunst Duisburg erfährt während der Weimarer Republik seine Blütezeit. Er zählt mehr als 700 Mitglieder. Diesen wird in den 20-er Jahren hochkarätig besetzte Lesungen, darunter mit Hermann Hesse, Arno Holz, Gerhart Hauptmann, Thomas Mann und anderen namhaften Schriftstellern geboten. Nahezu alle Repräsentanten der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur wurden nach Duisburg eingeladen: Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Alfred Kerr, Heinrich Mann, Franz Werfel, Stefan Zweig.

Vom Schwarzen Freitag, bei dem am 25. Oktober in New York die Börse zusammenbricht, viele Anleger ihr gesamtes Vermögen verlieren und verzweifelte Makler sich gleich reihenweise das Leben nehmen, erfahren die Duisburger bestenfalls aus der Zeitung. Für die Hafen- und die Werftarbeiter, die kleinen Angestellten in den Exportfirmen und die Verkäuferinnen in den Kolonialwarenläden sind das alles Nachrichten aus einer fernen Welt.

Doch Banker und Vorstände blicken schon sorgenvoll auf Börsenkurse und Auftragslage. Bereits seit 1928 beginnt das Wachstum der deutschen Wirtschaft zu stagnieren, doch zunächst ist Duisburg davon noch nicht massiv betroffen. Doch das wird sich bald ändern. Als die Wirtschaftskrise die negativen Tendenzen dramatisch verstärkt, bekommt Duisburg seit Ende 1929 den Konjunktureinbruch in vollem Ausmaß zu spüren. Kredite, vor allem von amerikanischen Geldgebern, werden kurzfristig fällig, was viele Firmen die Existenz kostet. Der Export bricht ein, weil die Preise auf breiter Front verfallen und viele Länder ihre Binnenmärkte schützen wollen und mit protektionistischen Maßnahmen die Einfuhr fremder Waren verhindern.

Für Deutschlands größten Binnenhafen ist das schlicht eine Katastrophe, die Schiffe fahren – wenn überhaupt – oft nur noch mit halber Ladung. Werft- und Hafenarbeiter werden entlassen. Die Duisburg-Ruhrorter Häfen erwiesen sich als exaktes Spiegelbild der Lage der Ruhrwirtschaft.

Die Strukturprobleme der Montanwirtschaft im Ruhrgebiet treten nun offen zu Tage. Das gilt auch für die Steinkohle.

(RP)
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