Duisburg Gelobt, gefeiert, beschimpft

Duisburg · Vor sechs Jahren wurde Adolf Sauerland mit einem Traumergebnis Oberbürgermeister von Duisburg. In wenigen Wochen will er sich der Abwahl durch den Rat der Stadt stellen.

Loveparade-Tragödie: Duisburger trauern
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Loveparade-Tragödie: Duisburger trauern

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Im Frühjahr 2004, kurz vor der Kommunalwahl, ist eine leerstehende und dem Verfall überlassene Mercatorhalle mitten in der City Symbol für eine Stadt am Boden. Fast wie ein billiger Täuschungsversuch wirkt es da, dass die Stadtspitze das Parkhaus der Halle ohne verlässliche Zukunftspläne abreißen ließ. Die Duisburger haben von der SPD die Nase gestrichen voll. Die Sozialdemokraten haben die Stadt über den Rand des finanziellen Ruins geschubst, und Oberbürgermeisterin Bärbel Zieling erweckt den Eindruck, für keinen zugänglich zu sein, für die Bürger schon gar nicht.

Traumhaft

Die CDU setzt im OB-Wahlkampf 2004 auf Adolf Sauerland. Klare Worte sagt er, kommt absolut authentisch daher, ist kein bisschen abgehoben, sondern spricht wie jeder hier. Er liebt die Stadt über alles, und er mag die Duisburger. Das spüren diese sehr schnell. Bei der Wahl kommt er am 26. September auf 40,2 Prozent, Zieling auf 37,6 Prozent. Fünf andere Bewerber teilen sich den Rest. Vor dem zweiten Wahlgang versucht Zieling Punkte gut zu machen. Doch er wird für sie und ihre Parteifreunde zu einem Desaster. Mit 61,2 Prozent schlägt Sauerland seine Herausforderin so haushoch, wie er sich das nicht einmal geträumt hatte.

Was er versprochen hat, setzt er zügig um. Gerade ein paar Wochen im Amt findet er trotz der finanziellen Notlage Duisburgs einen Weg, eine neue Mercatorhalle bauen zu lassen. Unterstützt von seiner Ratsfraktion, der CDU, und dem grünen Fraktionspartner beerdigt er die Lachnummer MultiCasa — das zuletzt sehr umstrittene Einkaufszentrum am Güterbahnhof — und stellt die Weichen für das Forum am König-Heinrich-Platz. Seine offene Art überzeugt Ansiedlungswillige. Im Süden baut Infineon ein neue Zentrale, am Innenhafen lässt sich Hitachi nieder. Er findet Wege, um einen Masterplan für die Innenstadt zu finanzieren, der nachhaltig die City schöner machen soll. Wo Duisburgs Repräsentanten auftauchen, ist die Resonanz plötzlich positiv. Und merklich wächst der Stolz der Bürger auf ihre Stadt.

Am 30. August 2009 steht wieder eine OB-Wahl an. Die Duisburger danken Sauerland für seine Arbeit mit einem erneuten Vertrauensbeweis. 44,6 Prozent reichen diesmal, um seinen SPD-Herausforderer Jürgen C. Brandt (38,2 Prozent) abzuhängen.

Alptraumhaft

Die Stimmung in Bezug auf Sauerland schlägt am 24. Juli schlagartig um. Der 55-Jährige wird von Parteifreunden und politischen Gegnern jeden Tag mehr bedrängt, die politische Verantwortung für die Katastrophe bei der Loveparade zu übernehmen. Er bekommt Drohbriefe, wird als mehrfacher Mörder beschimpft. Er beginnt eine mittelalterlich anmutende Hetzjagd. Längst sind Medien seiner Familie auf der Spur, die er in Sicherheit hat bringen müssen. Mit jedem Tag mehr muss er die Erfahrung machen, dass nicht alle in seinem beruflichen Umfeld so loyal sind, wie er es bis dahin vermutet hatte, oder dass sie dem Druck nicht mehr standhalten und weinend zusammenbrechen.

Wenn Adolf Sauerland gestern ankündigte, sich dem (noch nicht terminierten) Abwahlverfahren durch den Rat der Stadt zu stellen, dann vor allem, weil er darauf hofft, in den vergangenen Tagen genug Belege dafür gefunden zu haben, dass die Schuld für die Katastrophe nicht bei der Stadt Duisburg liegt. Aufklärung hatte er am Sonntag vor einer Woche zugesagt. Und er hatte auch versprochen, dass er zum gegebenen Zeitpunkt darüber nachdenkt, welche Konsequenzen er aus der Katastrophe ziehen werde.

(RP)
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