Duisburg Für eine bunte Vielfalt auch in Duisburg

Duisburg · Am Samstag findet der Christopher-Street-Day in Duisburg statt. Anders als in anderen Städten gibt es hier kaum Angebote, wie eine Beratungsstelle für Jugendliche. Felix Banaszak von den Grünen bemängelt das.

 Der Christopher Street Day hat auch in Duisburg schon so etwas wie eine Tradition. Dazu gehört auch, sich bunt zu verkleiden und am Umzug teilzunehmen.

Der Christopher Street Day hat auch in Duisburg schon so etwas wie eine Tradition. Dazu gehört auch, sich bunt zu verkleiden und am Umzug teilzunehmen.

Foto: Andreas PRobst

Fast eine Million Menschen waren Anfang Juli in Köln dabei, als die Parade des Christopher-Street-Days (CSD) durch die Straßen zog. Ähnlich wie beim Rosenmontagszug säumten die Zuschauer die Straßen und jubelten den Menschen um und auf den bunten Wagen zu. In Duisburg waren 2014 gerade mal 6000 Menschen auf der Straße. Und das, bei einer Einwohnerzahl von knapp einer halben Million Menschen. "Ein breites Desinteresse", nennt Felix Banaszak, Vorstandssprecher der Duisburger Grünen diese Zahlen.

Sicherlich ist Köln in Bezug auf die LGBT-Gemeinschaft (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle und Transgender-Personen) mit keiner anderen Stadt zu vergleichen. Die Duisburger Zahlen zeigen aber, dass hier in dieser Hinsicht noch viel getan werden muss. "Es ist in Duisburg immer noch ein Nischenthema. Aber ich meine, LGBT-Rechte sind Menschenrechte, und es ist keine Nebensache, dass man ohne Angst leben kann", sagt Banaszak, der sich eben für genau diese Belange besonders einsetzt. Es gehe ihm nicht darum, schrillen Minderheiten Sonderrechte einzuräumen, sondern dafür zu kämpfen, dass die Menschen in Würde leben können. Seit 2014 gibt es in Duisburg mit Joachim Müller einen Ansprechpartner für alle Fragen, die rund um eine alternative Lebens- und Liebesform aufkommen können. Doch ist das wirklich ausreichend? "Ich weiß nicht, ob sich ein Jugendlicher, der sich seiner sexuellen Orientierung unsicher ist, an einen Menschen im Rathaus wenden würde?", fragt sich der 26-Jährige. Die Hemmschwelle sei doch enorm, zumal nicht-hetero-sexuelle Menschen in Teilen der Gesellschaft noch immer als "anders" oder sogar "pervers" gesehen werden. Das Wort "schwul" sei noch immer Teil zahlreicher Beschimpfungen auf dem Schulhof, gibt der Grünen-Politiker zu bedenken. Ein weiteres Problem sei, dass es keine Erhebung für Fälle homophober Gewalt gibt. "Für homophobe und transphobe Straftaten gibt es keine spezielle Kategorie in den Polizeistatistiken", sagt Banaszak. Viele Straftaten würden dementsprechend unter anderen Kategorien verbucht, wie etwa als "Delikt von Jugendlichen unter Alkoholeinfluss". Im Jahr 2015, so sagt Banaszak, habe es offiziell nur 220 homo-/transphob motivierte Straftaten im ganzen Bundesgebiet gegeben. Das Berliner Beratungsprojekt "Maneo" zählte allerdings allein für Berlin 259 Fälle. Eine in Berlin eigens für LGBT zuständige Polizeibeamtin schätzt die Dunkelziffer auf 90 Prozent. Viele Betroffene würden sich nicht trauen, anzuzeigen, aus welchem Grund sie angegriffen wurden, sagt Banaszak. Das Schamgefühl sei zu hoch, oder man habe Angst vor einer negativen Reaktion. Diese Zahl suggeriert eine entspanntere Situation, als sie in Wahrheit ist. Bei vielen Menschen spiele die Angst vor Gewalt eine große Rolle in der Überlegung, sich zu seiner Sexualität zu bekennen. Das kann weitreichende Folgen haben. Banaszak: "Die Suizidrate unter queeren* Jugendlichen ist vier bis fünf Mal so hoch wie unter hetero-sexuellen Jugendlichen." Allein das sollte Motivation sein, das Thema zu diskutieren. Gerade in Zeiten der aufstrebenden rechtspopulistischen Strömungen.

Banaszak wünscht sich, dass bereits in Schulen offen mit dem Thema umgegangen und aufgeklärt wird, so dass Homosexualität nichts Unbekanntes, Falsches oder Verbotenes mehr ist und sich das Klima in der Schule entspannt. Es gebe tolle Initiativen und Programme, wie etwa SCHLAU NRW. Eine Initiative, die in die Schule kommt und aufklärt. Doch die Strukturen, die es bereits gibt, müssten ausgebaut werden, sagt Banaszak. Er wünscht sich von der Stadt, dass sie auf Schulen zugehe und sie auffordere, eben solche Initiativen einzuladen. "Außerdem fehlen niederschwellige Angebote für Jugendliche, wie queere Jugendzentren, in denen speziell geschulte Betreuer auf Fragen eingehen können." In 24 Städten in NRW gebe es LGBT-Jugendzentren - in Duisburg kein einziges. "Ich will nicht, dass Jugendliche sich fragen, ob sie bleiben können oder besser gehen, weil sie woanders besser verstanden werden als hier." Aus diesem Grund sei der Christopher Street Day, der am Samstag, 12 Uhr, zum ersten Mal mit einer Demo vom Rathaus bis zum König-Heinrich-Platz dabei ist, für eine Stadt wie Duisburg ein wichtiges Ereignis.

*Queer bedeutet, in der sexuellen Orientierung oder der sexuellen Identität von der "Norm" abweichend.

(RP)
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