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Duisburg · Der Duisburger Bibliotheksdirektor Dr. Jan-Pieter Barbian reiste mit einem Stipendium des Goethe-Instituts nach New York und Washington, um sich dort über das Bibliothekswesen zu informieren. Im RP-Interview resümiert er seine Studienreise.

Mit einem Stipendium des Goethe-Instituts reiste der Direktor der Duisburger Stadtbibliothek, Dr. Jan-Pieter Barbian, nach New York und Washington/DC. Das Goethe-Institut hatte das Stipendium bundesweit ausgeschrieben, Barbian wurde aus zahlreichen Bewerbern für den dreiwöchigen Aufenthalt ausgewählt. Gewiss eine Auszeichnung! Dabei ging es vor allem um die politische Lobbyarbeit und die Erschließung von privaten Finanzierungsmöglichkeiten für kommunale Bibliotheken. Mit Dr. Jan-Pieter Barbian sprach Redakteur Peter Klucken.

Es ist gewiss schwer, Ihre mehr als drei Wochen in den USA zusammenzufassen. Vielleicht versuchen Sie es doch einmal, unabhängig vom unmittelbar Fachlichen!

Barbian Bei einem Gespräch in der Columbia University sagte mir ein Abteilungsleiter der Butler Library, mit New York und Washington/DC sei ich ja eigentlich gar nicht richtig in den USA. Beide Städte spielen eine Sonderrolle: die eine als Weltmetropole, die unsere Vorstellungen von den USA prägt, die andere als repräsentativer Regierungssitz. Das muss man wissen, um Verallgemeinerungen zu vermeiden. Dennoch habe ich den Eindruck von einem sehr reichen Land mitgenommen, wobei ich darunter keineswegs nur den materiellen Wohlstand verstehe, der gigantische Dimensionen erreicht hat.

Sponsoring ist in den USA ein größeres Thema als hier...

Barbian, Richtig. Ein nicht unwesentlicher Prozentsatz dieses Kapitals wird von den Wohlhabenden an die Gesellschaft zurückgegeben: durch Schenkungen und Stiftungen, die den Museen, den Theater-, Konzert- und Opernhäusern, den wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken zugute kommen. Diese Identifikation von Privatpersonen und Unternehmen mit der Kultur, die immer als Teil der menschlichen Bildung gesehen wird, würde ich mir viel stärker für Deutschland wünschen. Zum Reichtum des Landes gehören natürlich vor allem auch die Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Ländern und Kulturen der Welt in die USA gekommen sind und das Leben in New York ebenso wie in anderen Großstädten beeinflussen.

Und wie sieht Ihr Resümee als Bibliotheksdirektor und Stipendiat aus?

Barbian Ich habe in den USA überall eine große Offenheit, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft angetroffen. Diese überaus positive Erfahrung hing natürlich ganz entscheidend damit zusammen, dass ich mich nicht als reiner Tourist in New York und in Washington/DC aufgehalten habe, sondern auch in viele Bereiche des Lebens hineinsehen konnte, die den Blick des Touristen nie erreichen.

Können Sie Beispiele nennen?

Barbian Ich habe – etwa in der Bronx und in Corona – auch die Schattenseiten des "american way of life" – Armut und Verfall der städtischen Strukturen – erleben können, wobei die von mir dort besuchten Stadtteilbibliotheken in ihren modernen Gebäuden eine wirklich vorbildliche Arbeit für die Menschen leisten. Neben den vielen Kolleginnen und Kollegen aus den Bibliotheken vor Ort bin ich auch Brigitte Döllgast, der Leiterin des Goethe-Instituts New York, sehr dankbar dafür, diese Erfahrungen gemacht haben zu dürfen.

Wie unterscheiden sich die Bibliotheken in den USA von denen in Deutschland?

Barbian Das Bibliothekswesen der USA ist ganz tief in der Gesellschaft verwurzelt. Das beginnt mit dem freien Zugang zu allen relevanten Informationen (einschließlich derer im Internet), der in den USA verfassungsmäßig durch die "Bill of Rights" garantiert ist. Öffentliche Bibliotheken spielen eine entscheidende Rolle bei der Vermittlung der Sprach- und Lesekompetenz für Kinder ebenso wie für erwachsene Zuwanderer, bekämpfen den weit verbreiteten Analphabetismus, bereiten Zuwanderer auf den Staatsbürgertest vor, helfen Arbeitslosen aktiv bei der Jobsuche, informieren über alle Fragen des bislang von jedem privat zu finanzierenden Gesundheitswesens.

Wie steht die Politik zu den Bibliotheken?

Barban Das gegenüber der Situation in Deutschland erheblich erweiterte Aufgabenspektrum beschert den Bibliotheken eine millionenfache Kundschaft, die gerade in der derzeitigen Wirtschaftskrise noch einmal deutlich anwächst. Die Folge ist, dass die Politik, die die Etats der drei großen Bibliotheksysteme New Yorks in diesem Jahr um jeweils 22 Prozent kürzen wollte, sich aufgrund massiver Proteste aus der Bevölkerung mit einer Kürzung von fünf Prozent zufrieden geben musste. Schließlich sind auch die Millionen Nutzer der Bibliotheken Wähler...

(RP)
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