Duisburger Geschichte und Geschichten Teddybär und Brettspiele trotzen der Zeit

Duisburg · Die Firma Roskothen hat zu ihrem 125. Geburtstag einen Katalog mit fast vergessenem Spielzeug veröffentlicht.

   Ein Kaufladen aus Holz für Kinder. Diesen soll es um das Jahr 1910 zu kaufen gegeben haben.

Ein Kaufladen aus Holz für Kinder. Diesen soll es um das Jahr 1910 zu kaufen gegeben haben.

Foto: KSM

Dampfmaschine, Jo-Jo, Mühle, Mensch ärgere dich nicht, Bastelbögen, Autoquartett, Kindernähmaschine sind heute als Kinderspielzeug nicht mehr gefragt. Nur der kuschelige Teddybär ist einer der wenigen Überlebenden im Land der Spiele und wird auch heute noch von Kindern innig geliebt – genauso wie vor mehr als 100 Jahren.

Das Stöbern in alten Spielzeugkatalogen und auf dem Dachboden gleicht einer Reise in die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Im Kaufmannsladen lernten Kinder spielerisch das Wiegen, Zählen, Rechnen und Verhandeln. Eine Monopoly-Spezialausgabe von Duisburg und das Brettspiel „Stahl und Eisen“ von 1914  waren vor wenigen Jahren sogar Ausstellungsobjekt im Stadtmuseum. Das Würfelspiel „Rauchende Schlote“ bot eine Reise zu den Stahlstandorten und das Kartenspiel „Ruhr-Quartett“ von 1930 vermittelte ein nahezu romantisches Nebeneinander von Natur und Montanindustrie, eine Darstellung, die heute bei Umweltaktivisten ein Stirnrunzeln auslöst.

 Das Buch zum 125-jährigen Firmenjubiläum von Roskothen.

Das Buch zum 125-jährigen Firmenjubiläum von Roskothen.

Foto: Roskothen

Ein weiterer Beleg, dass es starke Wechselbeziehungen zwischen Spiel, Zeitgeist und Politik gab, zeigte sich nach dem Ersten Weltkrieg. Die allgemeine Em­pö­rung, die der Ein­marsch der Franzosen aus­lös­te, schürte den Widerstand der Duisburger auch im „Ruhr-Spiel“: Die Spieler hatten die Aufgabe , den „Schikanen der Franzosen“ zu entgehen. In der NS-Zeit waren dann Panzerwagenmodelle und Kampfflieger als Modellbausatz beliebt. Dem damaligen NS-Rollenverständnis entsprechend konnten sich die kleinen Mädchen mit den Puppen auf das Erwachsenendasein als Hausfrau und kinderreiche Mutter vorbereiten, während sich die Jungen auf ein Leben im Militärdienst einstimmten. Spiele wie „Denn wir fahren gegen Engeland“ und „Stukkas greifen an“ sollten die Kriegsstimmung fördern. Das Propagandaspiel „Flieger Alarm“ färbte  zu Beginn des Zweiten Weltkrieges den Aufenthalt im Bunker schön. Eine beklemmende Vorstellung – früher war wohl doch nicht alles besser.

 Das Ruhrgebietsspiel „Unter rauchenden Schloten“ aus dem Jahr 1920.

Das Ruhrgebietsspiel „Unter rauchenden Schloten“ aus dem Jahr 1920.

Foto: KSM

Aber das Leben ging weiter. In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurden Trümmerlandschaften zu begehrten, aber gefährlichen Abenteuerspielplätzen für Kinder. Aus Schutt und Kriegsgerät entstanden mit viel Phantasie Puppen, Spielzeugautos und vieles mehr – es gab ja nichts anderes. Die Konjunktur der Wiederaufbaujahre zeigte sich alsdann im wachsenden Spieleangebot: Kohle, Stahl und Baubranche galten damals als Pfeiler des Wirtschaftswunders und die Spielzeugbranche konnte mit Holz- und Metallbaukästen, Baukränen und Modelleisenbahnen punkten – Märklin, Trix und Fleischmann waren Markennamen, die jeder Junge kannte. Schuco, Wiking und Matchbox Miniaturautomobile läuteten die Motorisierung in den Kinderzimmern ein. Unselige Zeugnisse des Kalten Krieges waren Spielzeugpanzer und Flugzeugträger im Modellbausatz. Danach gaben der Sputnik-Schock und Weltraumflüge der Spielewelt neue Impulse. Mondraketen, batteriegetriebene Raumschiffe und Roboter landeten auf dem Gabentisch. Die Spielwelt der Geschlechter war weiter klar geteilt. Für Mädchen gab es Puppenküchen mit Puppenherden, ehe in den 60er Jahren Barbie die Mädchenherzen eroberte. Mode und Accessoires der Barbiepuppen zeigen aus heutiger Sicht, wie schnell sich Zeitgeist und Geschmack ändern.

In den 60er- und 70er-Jahren konnten Kinder mit Legosteinen und Playmobil und jeder Menge Phantasie alles nachbauen. Neue Trends der beginnenden kritischen Umweltdiskussion griff die Spielzeugindustrie geschickt auf. Die Auseinandersetzung mit ökologischen Fragen wurde in den 80er-Jahren Thema für zahlreiche Umweltspiele. Die Feminismus-Debatten in den 70er Jahren lösten ein Nachdenken über tradierte Rollenbilder aus. Doch die Spielzeugbranche war daran interessiert, die Spielwelt von Jungen und Mädchen streng weiter zu trennen; „Prinzessin Lillifee“ bescherte dem  Coppenrath Verlag einen Megaerfolg. In der Mädchen-Spielewelt bestimmten pinke Glitzerpuppen, Krönchen, Prinzessinen und modisches Styling das Rollenklischee.

Die Jungenwelt blieb blau, und darin kämpften starke, wilde Krieger mit Laser-Schwertern. Doch der gute alte Teddybär ist einer der Überlebenden in der Konkurrenz der Trendspielsachen. Sein kuscheliges Plüschgesicht wird auch heute noch von Kindern geliebt. Im Zeitalter von Computern und Spielekonsolen wurde den klassischen Brettspielen schon mehrfach das Ende prophezeit. Ein Irrtum. Auch heute sind die Monopoly und Scrabble noch gefragt.  Die Vielfalt der Spielangebote für unterschiedliche Zielgruppen ist unüberschaubar – Diversifizierung nennen das die Marketing-Experten. Masse statt Klasse sagen Kritiker, aber es gibt zum Glück auch Marktnischen mit hochwertigem Spieleangebot. Die Traditionsfirma Roskothen hat in jahrelanger, engagierter Arbeit ihr Sortiment mit ausgesuchtem, gutem Spielzeug weiterentwickelt. Nicht nur für Kinder – auch Erwachsene gehen hier auf Entdeckungsreise.

Zum Weiterlesen: Broschüre „Zeitlupe“, Kultur- und Stadthistorisches Museum, „Unter rauchenden Schloten“ – Das Ruhrgebiet im Spiel und das Buch „Spielzeuggeschichten“ zum 125 jährigen
Roskothen-Jubiläum.

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