Duisburg Filmwoche als "echte Marke der Stadt"

Duisburg · Mit der 90-minütigen Dokumentation "Schlagerstar" wurde im voll besetzten Filmforum die 37. Duisburger Filmwoche eröffnet, die sich von der "üblichen Massenbildhaltung" unterscheiden soll. Die RP-Jury kürt den Publikumspreis.

 Die RP-Jury sichtet die Filme der Duisburger Filmwoche und vergibt am Ende den Publikumspreis für die beliebteste Dokumentation des Festivals.

Die RP-Jury sichtet die Filme der Duisburger Filmwoche und vergibt am Ende den Publikumspreis für die beliebteste Dokumentation des Festivals.

Foto: peggy mendel

Reden gehören traditionell zum Eröffnungsritual einer Duisburger Filmwoche. Da hört man besonders an den Stellen gut hin, wo es um die Perspektiven dieses Festivals geht, das viele für das wichtigste im Bereich des deutschsprachigen Dokumentarfilms halten. Das Publikum, darunter auch Filmemacher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, wird wohl mit Genugtuung zur Kenntnis genommen haben, dass Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link den Wert des Festivals für das Ansehen der Stadt hervorhob und dass der nordrhein-westfälische Staatssekretär für Kultur, Bernd Neuendorf, in die gleiche Kerbe schlug und die Filmwoche als "echte Marke der Stadt" bezeichnete. Festivalleiter Werner Ruzicka ermahnte selbstbewusst die Sendeanstalten, mehr Dokumentarfilme zu zeigen. Denn gute Dokumentationen seien ein Gegengewicht zur "Massenbildhaltung", der wir häufig ausgesetzt seien.

Zum Auftakt der Filmwoche wurde eine Dokumentation gewählt, die durchaus auch unterhaltend war, nicht zuletzt deshalb, weil sie einen Matador der Unterhaltungsszene in den Mittelpunkt stellte: den erfolgreichen österreichischen Schlagersänger und Volksmusiker Marc Pircher. Das Regieduo Marco Antoniazzi und Gregor Stadlober porträtiert Pircher bei seinen Bühnenauftritten, beim Gespräch mit seinem Team, bei Fahrten und natürlich beim Kontakt mit seinem Publikum, das gerne der gesanglichen Aufforderung nachkommt, "die Hände in die Höh'" zu nehmen. Pircher kommt in dem Film gar nicht so schlecht rüber, was durchaus erstaunlich ist, denn die Filmemacher gehören keineswegs zu den Anhängern jener Art von Musik und Gaudi, mit der der Protagonist des Films sein Geld verdient. Die Filmautoren zeigen Pirchers gesuchte Nähe zum Publikum, bleiben aber selber auf Distanz, ohne dass diese Distanz als hämische Abgrenzung erscheint. Klar wird: Volksmusik ist ein ungemein forderndes Geschäft, in dem wohl nur derjenige dauerhaft erfolgreich sein kann, der sich darüber freut, wenn er "die Leut im Saal zum Hupfen bringt".

Marc Pircher wirkt authentisch, wenn er auf der Bühne steht, zeigt sich gelegentlich ein wenig genervt, wenn er die geschäftlichen Gepflogenheiten, die mit diesen Auftritten verbunden sind, zu erfüllen hat. Und fast sperrt er sich gegen die Erwartungshaltung der Festzelt-Betreiber, die von ihm erwarten, die Gäste zum Trinken zu animieren — des Umsatzes wegen. Und ob die auf der Bühne versicherte große Heimatliebe möglicherweise auch etwas Einschleimendes hat, lässt der Film offen. "Schlagerstar" war ein guter, wenn auch ein wenig zu langer Eröffnungsfilm, der in Duisburg seine deutsche Erstaufführung hatte. Gewiss wird er auch im Fernsehen gezeigt, vermutlich auf 3sat oder Arte. Beide Sender vergeben am Samstagabend die Hauptpreise der Duisburger Filmwoche.

An der Vergabe von Preisen beteiligt sich auch wieder die Rheinische Post, deren Leserjury den beliebtesten Film des Festivals kürt. Die Jury nahm bereits am Eröffnungsabend ihre Sichtungsarbeit auf, die man sich facettenreicher kaum vorstellen kann. Der Film "Intensivstation", der gestern Nachmittag gezeigt wurde, ist der vielleicht größtmögliche Kontrast zur Unterhaltungsindustrie, wie sie in "Schlagerstar" erscheint. In der 86-minütigen Dokumentation von Eva Wolf geht es um Leben und Tod und die Frage, ob es richtig ist, mit intensivmedizinischen Maßnahmen einen Menschen am Leben zu halten, der ohne diese Maßnahmen sterben würde. Eindeutige Antworten haben auch die Ärzte und Pfleger nicht, für die solche Entscheidungsfragen zum Berufsalltag gehören.

Ein weiteres Highlight war gestern am späten Nachmittag die zweistündige Dokumentation von Jörg Adolph, der höchst eindrucksvoll zeigt, wie das filmische Monumentalwerk "Die andere Heimat" von Edgar Reitz verwirklicht wurde. Die Floskel vom "Blick hinter die Kulissen" bekommt da eine ganz neue, viel höhere Qualität. "Making of Heimat" heißt die ungewöhnliche und sehenswerte Dokumentation, in deren Mittelpunkt ein Regisseur steht, der einst als Repräsentant des neuen deutschen Films galt — fesselnd.

(RP)
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