Festival „Eigenzeit“ Duisburger Philharmoniker feiern die Dinge

Duisburg · Im Opernfoyer wurde das Eröffnungskonzert „Dingfest“ des neuen Festivals „Eigenzeit“ nachgeholt. Zum Einsatz kamen unter anderem eine Klangskulptur und eine Waage.

 Die akustische Waage war ein Highlight des Konzerts.

Die akustische Waage war ein Highlight des Konzerts.

Foto: Andre Symann

„Eigenzeit“ heißt das neue zeitgenössische Kammermusik-Festival der Duisburger Philharmoniker. Die erste Saison, kuratiert von dem in 1980 Duisburg geborenen Komponisten Hauke Berheide, musste vom April in pandemiefreiere Monate verschoben werden. Es geht bei der ersten „Eigenzeit“ darum, wie sich die akustische Musik in unserer nach der Industrialisierung mechanisierten und kommerzialisierten Welt behaupten kann.

Nun wurde im Opernfoyer im Theater die „Eigenzeit“-Eröffnungsfeier nachgeholt. Das Konzert trug den Titel „Dingfest“ und den Untertitel „Unerhörte Kammermusik, Spieluhren, Klangskulpturen und Motörchen“. Schon im Wandelgang vor dem Opernfoyer wurden wir begrüßt von dem Satz „Carrelage phonique“ (19J7) aus der „Musique d’ameublement“ von Erik Satie. Im Mittelpunkt des Abends standen drei Uraufführungen. Der Franzose Jérôme Combier, Jahrgang 1971,  versuchte in seinem „Fumo di pietra“ (2019) für Flöte, Bassklarinette, Violoncello und Klavier ebenso Rohmaterialien zu verwenden wie der Bildende Künstler Jannis Kounellis, der auch im Duisburger Lehmbruck-Museum vertreten ist. Die 1980 in den USA geborene Missy Mazzoli zieht in ihrem „Magic With Everyday Objects“ (2007) für Flöte, Klarinette, E-Gitarre, Cello und Klavier die Klischees der Unterhaltungsmusik durch den Kakao des Postminimalismus. Hier erklang erstmals eine eigens für die „Eigenzeit“ erstellte Neufassung (mit Cello statt Kontrabass).      

Das größte Ereignis war freilich die Uraufführung von „The Cricket and the Snail“ (2021) für Schlagzeug, akustische Waage und Streichquartett von der 1986 in Kolumbien geborenen und in Paris lebenden Violeta Cruz, einem Auftragswerk der Duisburger Philharmoniker. Gemeinsam mit dem Designer Léo Lescop hatte die Komponistin eigens eine Klangskulptur entworfen, die rieselnde und raschelnde Klänge hervorbringen kann sowie wechselnde Ereignisse, sobald sich die Waage geneigt hat. Das „Dingfest“ enthielt außerdem vier Duisburger Erstaufführungen. Hauke Berheide war selbst vertreten mit seinem „Epilog II (Heimat)“ für Schlagzeug, programmierbare 32-Ton-Spieluhr und Streichquartett, der das Spieluhr-Klischee in der expressionistische Enge treibt.

Viel Genauigkeit und Hingabe bewiesen die Ausführenden. Bei drei Werken dirigierte Marie Jacquot. Schade nur, dass die meisten der aufgeführten Kompositionen hinter ihren raffinierten Oberflächenreizen und komplexen Spieltechniken nur wenig tieferen Sinn erkennen ließen.

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