Ortsbesuch in Duisburer AfD-Hochburg Untermeiderich rückt nach rechts

Duisburg · In 14 Duisburger Wahlbezirken bei der Europawahl erhielt die Alternative für Deutschland (AfD) die Mehrheit der Stimmen. So zum Beispiel auch rund um das Wahllokal an der Bergschule in Untermeiderich. Ein Ortsbesuch.

In einem Wahlbezirk in Untermeiderich wählten über 30 Prozent der Wähler die AfD. Das Foto zeigt die Horststraße im Norden des Bezirks.

In einem Wahlbezirk in Untermeiderich wählten über 30 Prozent der Wähler die AfD. Das Foto zeigt die Horststraße im Norden des Bezirks.

Foto: RP/Jan Luhrenberg

Am Montag ist an der Bergschule in Untermeiderich wieder der normale Schulalltag eingekehrt. Lehrer warten vor der Schule auf den Unterrichtsbeginn, Eltern holen ihre Kinder mit dem Auto ab. An der Straße steht ein weißer Schulbus. Das Rattern des Motors ist nicht zu überhören. Am Tag zuvor noch war die Grundschule ein Wahllokal für die Europawahl. Doch nur etwas mehr als ein Viertel der Wahlberechtigten fand den Weg in die Schule, um ein Kreuz zu setzen.

Auffällig ist auch, dass die Alternative für Deutschland (AfD) im Wahlbezirk rund um die Bergschule die meisten Stimmen bekommen hat. 30,5 Prozent der Wähler machten ihr Kreuz bei der Partei aus dem rechten Spektrum. In ganz Duisburg bekam die Partei jedoch „nur“ rund zwölf Prozent. Es bleibt also die Frage: Warum wählen so viele Menschen aus dem Wahlbezirk in Untermeiderich die AfD?

Norbert Höse wohnt seit 35 Jahren in einem kleinen Häuschen ganz in der Nähe der Bergschule. Luftlinie sind es nur wenige hundert Meter zwischen der Siedlung, in dem der ältere Mann wohnt, und der Grundschule. Höse nutzt das gute Wetter, um den Bürgersteig vor seinem Haus auf Vordermann zu bringen. Mit einem Besen kehrt er Dreck und Laub vor seiner Haustür zusammen. „Man muss hier nur mal auf die Straße gehen und erkennt sofort, warum viele Menschen die AfD wählen“, sagt er und berichtet von vielen leerstehenden Wohnungen, einer hohen Arbeitslosigkeit und einem Stadtteil, der insgesamt einfach nicht mit gehobenen Gegenden wie Kaiserberg verglichen werden könne.

 An der Bergschule in Untermeiderich machten die meisten Wähler ihr Kreuz bei der AfD.

An der Bergschule in Untermeiderich machten die meisten Wähler ihr Kreuz bei der AfD.

Foto: RP/Jan Luhrenberg

Während der Mann mit lichtem grauem Haar und einem dichten Schnurrbart über die Probleme in seiner Nachbarschaft spricht, kehrt er weiter den Unrat vor seinem Haus zusammen. Er lässt sich nicht aus der Fassung bringen, auch nicht von einem so ernsten Thema wie dem Wahlerfolg der AfD. Die Entwicklung, dass rechte Parteien immer besser bei den Wählern ankommen, sei zwar problematisch und bedauernswert, aber noch kein erstens Problem. „Ich habe keine Angst, weil Leute rechts wählen“, sagt Höse bestimmt. „Das muss eine Demokratie auch mal aushalten.“

Höse selbst würde niemals die AfD wählen. Doch er weiß auch, dass die aktuelle Situation in Untermeiderich der Partei in die Karten spielt. „Der Ausländer- und Migrantenanteil ist sehr hoch“, erklärt er. „Deshalb springen viele auf die Argumente der AfD an.“ Der Anteil läge mittlerweile bei über 50 Prozent. Zusätzlichen Zündstoff lieferte zuletzt ein „Problemhaus“, in dem laut Höse Rumänen und Bulgaren lebten. „Das Haus war überfüllt und wurde von der Stadt aus Sicherheitsgründen zugemacht.“

Auf der anderen Seite der Schule geht Christine Selig mit ihrem kleinen Hund spazieren. Sie wohnt ganz in der Nähe und kennt die Probleme im Viertel. „Ich glaube, es sind vor allem junge Menschen, die die AfD wählen“, sagt sie. Immer mal wieder sehe sie rechtsextreme junge Menschen in ihrer Nachbarschaft. An Fenstern und Motorrädern hingen sogar Fahnen mit Hakenkreuz. „Das ist echt schlimm.“ Die Dame aus Untermeiderich schätzt, dass es den jungen Menschen schlicht an einem Bewusstsein fehlt, wie schlecht rechtes Gedankengut ist. „Die haben alle ja auch nicht den Krieg mitbekommen“, sagt Selig, die ursprünglich aus Berlin kommt und dort in einer zerbombten Stadt aufgewachsen ist.

Auch Selig gibt an, dass viele Menschen in der Umgebung arbeitslos seien und Angst vor Ausländern hätten. Das habe sie aus vielen Gesprächen mit Nachbarn und Bekannten erfahren. Vielen Anwohnern seien die Ausländer ein Dorn im Auge. „Sie verdrecken die Umgebung mit Müll und Sperrmüll“, berichtet sie. „Ich habe nichts gegen Ausländer – bei mir im Haus wohnt ein netter Mann aus Algerien – doch sie müssen sich auch benehmen.“ Selig musste sogar schon einmal die Polizei rufen, weil ausländische Nachbarn den Hof zu sehr verdreckten und sich eine halbe Tonne Müll aufgestaut hätte. „Die werfen zum Beispiel benutzte Windeln einfach aus dem Fenster.“

Nicht nur die Anwohner, auch das Gewerbe in Untermeiderich ist zum Teil besorgt über den großen Erfolg der AfD in ihrer Heimat. Ein Selbstständiger aus der Umgebung, der namentlich nicht genannt werden möchte, hält es für gut möglich, dass manche Anwohner die AfD aus lediglich aus Protest gewählt haben und sich inhaltlich gar nicht mit der rechten Partei identifizieren können. „Das Problem gab es in den 80er und 90er Jahren schon mit den Republikanern“, sagt der Mann, der seit knapp zwei Jahren in Untermeiderich arbeitet. „Das heißt nicht zwangsläufig, dass die Leute sich nach rechts orientieren.“ Für ihn müsse die Stadt sich einfach mehr um strukturschwache Gebiete wie in Untermeiderich kümmern und Probleme wie Langzeitarbeitslosigkeit bekämpfen. „Dann passiert so etwas wie bei dieser Europawahl auch nicht“, ist er sicher.

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