Wilfried Schaus-Sahm "Etikettenschwindel" in Duisburg

Duisburg · Der Gründer des Traumzeit-Festivals arbeitet nun im Kultur- und Stadthistorischen Museum. In Wesel organisiert er ein Musikfestival, das seine Handschrift trägt. Die neue Duisburger "Traumzeit" habe mit seiner Konzeption nichts mehr zu tun.

Wilfried Schaus-Sahm, der Gründer des Duisburger Traumzeit-Festivals, organisiert nun die Marienthaler Festspiele, die diesmal vom 30. August bis 1. September auf Schloss Diersfordt stattfinden. Wie es dazu kam, erklärt Schaus-Sahm, der Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte studiert hat, im Gespräch mit Peter Klucken.

Sie haben das Traumzeit-Festival erfunden und von 1997 bis 2008 künstlerisch geleitet. Nun arbeiten Sie im Kultur- und Stadthistorischen Museum mit dem Schwerpunkt Mercator. Wie sehen Sie diesen Umbruch?

Schaus-Sahm Das war ein schmerzlicher Abschied, aber eine richtige Entscheidung. Dass ich mich nun mit den vielfältigen Facetten des 16. Jahrhunderts beschäftigen kann, entspricht nicht nur meiner Ausbildung, ich betrachte es sogar inzwischen als eine persönliche Bereicherung, als glückliche Fügung. Ich bereite gerade mit großer Freude die dritte Staffel der "Mercator-Matinéen" vor.

Im vergangenen Jahr haben Sie zum ersten Mal neben Ihrem Beruf die Marienthaler Festspiele organisiert. Wie kam es dazu?

Schaus-Sahm Das Ehepaar Patt, ehemalige Sponsoren des Traumzeit-Festivals und Besitzer des "Haus Elmer" in Marienthal, hatte meine Idee unterstützt, einen neuen Soundtrack für einen Animationsfilmklassiker von Lotte Reiniger in Auftrag zu geben. Die wundervolle Musik von Renaud Garcia-Fons kam dann beim "Kurt-Weill-Festival" auf der historischen Bauhaus-Bühne zur umjubelten Uraufführung. Da sind wir auf den Geschmack gekommen und haben im letzten Jahr mit anderen Musikliebhabern die "Marienthaler Festspiele" aus der Taufe gehoben.

In diesem Jahr finden die Marienthaler Festspiele unter demselben Namen wie im vergangenen Jahr statt, aber an einem anderen Ort. Wieso das?

Schaus-Sahm Es gab stehende Ovationen in Marienthal, aber wir hatten das Problem, dass der Lärm einer durch den Ort verlaufenden Landstraße ab und an störte. Auf "Schloss Diersfordt" bei Wesel mit seinem rustikalen Charme sind alle Voraussetzungen gegeben, die man für ein stimmungsvolles Festival braucht. Diersfordt ist von Duisburg außerdem noch einfacher zu erreichen, mit dem Auto sind es nur rund 20 Minuten.

Das Programm im vergangenen Jahr und auch das neue Programm scheinen typische Traumzeit-Programme zu sein ...

Schaus-Sahm Das jetzige Traumzeit-Festival hat mit meiner ursprünglichen Konzeption nichts mehr zu tun. Alle Alleinstellungsmerkmale, alle unverwechselbaren Programmlinien wurden eliminiert zugunsten eines Pop-und Neofolk-Events, das es in dem Zuschnitt in der Region auch schon an verschiedenen Orten gibt. Letztlich ist das Ganze ein Etikettenschwindel. Bei uns wird man aufregende Musiker wie den Perkussionisten Mohammad Reza Mortazavi oder den Oud-Spieler Karim Baggili entdecken können. Man wird renommierte Künstler wie den Pianisten Joachim Kühn mit seinem afrikanischen Trio "Chalaba" oder die Fado-Sängerin Cristina Branco erleben, in der kleinen Rokoko-Kirche erklingt Musik von Monteverdi. Besonders freue ich mich, dass wir mit Förderung des Kultusministeriums ein Auftragswerk an den Kölner Musiker Dirk Raulf vergeben konnten, das sich in einer Collage aus Texten, Musik und Videobildern mit dem Niederrhein beschäftigt. Da kann Goethes "Meeres Stille" durchaus neben einem Song von Tom Waits auftauchen. Die bekannte Schauspielerin Meret Becker und das Saxophon Quartett "Deep Schrott" sind Teil dieses Ensembles. Das wird spannend.

Wie können Sie in dem vorgegebenen Rahmen mit maximal 580 Zuhörern diese Konzerte realisieren?

Schaus-Sahm Entscheidend ist die musikalische Qualität und dazu benötigt man nicht unbedingt Headliner, die z.B. eine Kraftzentrale mit mehreren Tausend Plätzen füllen. Es ist das Verdienst von Dr. Patt, Sponsoren akquiriert zu haben, mit denen es uns möglich ist, ein hochkarätiges internationales Programm auf die Bühne zu bringen. Ich konnte alte Kontakte aktivieren. WDR3 ist von dem Festival überzeugt und schneidet fünf Konzerte mit. Air France ermöglicht uns ein Sonderkonzert des Pianisten Jacky Terrasson, der extra aus New York kommt.

Sie sind jetzt 64 und werden im kommenden Jahr pensioniert. Fängt da für Sie die Traumzeit an?

Schaus-Sahm Es wird sich nicht viel ändern. Ich werde täglich im Atelier sein und arbeite auf eine weitere Ausstellung meiner Bilder hin. Das ein oder andere Projekt könnte hinzukommen. Sollte das Festival angenommen werden, wäre es ein Vergnügen, es über die Jahre programmatisch zu formen und zu profilieren.

(RP)
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