Duisburg Erwin Wurm und seine Kunst als Interpretation des Jetzt

Duisburg · Eine Stunde lang stellte sich der "Star der österreichischen Kunstszene", wie das Lehmbruck Museum Erwin Wurm ankündigte, am Mittwoch den Fragen der Museumsleitung und der Besucher. Hintergrund für die Einladung zu dem aufschlussreichen Künstlergespräch war seine derzeit dort laufende Ausstellung.

Die seit dem 7. Juli und bis zum 29. Oktober in Duisburg noch zu sehende Gemeinschaftsausstellung "Erwin Wurm" und die im Lehmbruck Museum als auch im Museum Küppersmühle gezeigten rund 250 Werke liefern beim Betrachten derselben reichlich Diskussionsbedarf, indem sie gesellschaftskritische Fragen aufwerfen und zum Nachdenken anregen. Auf dem Weg von der Biennale in Venedig zurück nach Hause nach Wien legte Wurm vorgestern einen Zwischenstopp in Duisburg ein, so dass sich die besondere Gelegenheit ergab, den Künstler persönlich zu treffen und mit ihm über seine Kunst im Allgemeinen und die jetzige Ausstellung im Besonderen zu diskutieren.

Da der viel beschäftigte und nachgefragte Österreicher auch dieses Jahr wieder mehrere Werkschauen teils zeitgleich präsentierte, darunter neben Duisburg auch Bangkok, Sao Paulo, New York, Wien und Graz, veranlasste Museumsdirektorin Dr. Söke Dinkla ihn zu fragen, wie er ein solch immenses Arbeitspensum denn schaffen würde und, wo da noch Zeit für Kreativität bliebe. Seit 40 Jahren arbeite er schon als Künstler, sagte Wurm. So konnte er beginnend in den frühen 1970er bis in die späten 1980er Jahre hinein künstlerisch viel vorarbeiten. Davon profitiere er heute. Und für die Organisation seiner Ausstellungen kümmerten sich andere. So bliebe genug Zeit für ihn und seine Kreativität und künstlerischen Ideen.

Angesprochen darauf, wie er die Kunst und die Menschen in der heutigen Zeit sehe, antwortete er in seiner für ihn typischen Art seiner Werke, nämlich als "Großmeister der ironischen Abgründe und des skurrilen Humors": "Was mit der Menschheit bisher passiert ist und immer noch passiert, ist ungeheuerlich. Doch Kunst kann die Welt nur marginal verändern. Für mich gilt das Prinzip Hoffnung und Leben. Von daher verstehe ich Kunst als eine Interpretation des Jetzt. Insofern sehe ich es als meine künstlerische Aufgabe an, der Welt Sinn zu entziehen, aber auch zu verhindern, dass Kunst instrumentalisiert wird."

In der Lehmbruck-Ausstellung sind Skulpturen, Fotografien, Tapeten und Videos von Wurm zu sehen. Zu den ausgestellten Werken zählen bekannte, amüsante Skulpturen wie "The Artist who Swallowed the World" oder "Fat Convertible", ein rot glänzender Sportwagen, der aufgrund seiner Fettleibigkeit als Statussymbol und für den Straßenverkehr vollkommen untauglich wirkt. Wurm: "Ich habe mich stets mit Alltagsphänomen beschäftigt. Dazu gehören auch die Magersucht und die Fettleibigkeit. Zu- und Abnehmen ist wie Bildhauerei. Hier gilt das Prinzip der Zerstörung von Formen und gleichzeitig neue Formen zu finden. Letztendlich geht es um die Schwierigkeit, das Leben zu meistern. Egal, ob mit einer Diät oder mit einer Philosophie. Den neuen Menschen kann die Kunst ohnehin nicht ausrufen."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort