Weihnachtsmarkt in Duisburg eröffnet Die Weihnachtsmacher

Duisburg · Seit Donnerstagmorgen läuft der Duisburger Weihnachtsmarkt. Unser Autor wollte wissen, wer da eigentlich in den Büdchen steht. Die Antwort: interessante Menschen mit spannenden Geschichten.

 Der Duisburger Weihnachtsmarkt wurde am Donnerstag eröffnet.

Der Duisburger Weihnachtsmarkt wurde am Donnerstag eröffnet.

Foto: Christoph Reichwein

Heike Neuwöhler, ihr Mann Klaus und ihr Hund könnten Drillinge sein. Allen drei Familienmitgliedern fallen lange graublonde Haare auf die Schultern. Heike hat sich mit einer roten Strickjacke, einem Fleece und einem grünen Schal gegen die Kälte gerüstet. Ihr Mann Klaus trägt eine graues Sakko und einen auberginefarbenen Pullover. Familienhund Boris machen die Temperaturen scheinbar nichts aus – dem dicken Winterfell sei Dank.

Die Familie mit dem freundlichen Lächeln und den sympathischen Lachfältchen um die Mundwinkel wird die kommenden sechs Wochen auf dem Duisburger Weihnachtsmarkt verbringen. Sie gehört zu den Duisburger „Weihnachtsmachern“ – also den Menschen, die die Wintermeile, die seit Donnerstag wieder in der Stadt zu erleben ist, zu der machen, die sie ist.

Familie Neuwöhler lebt von dem, was sie verkauft – allerlei Nippes aus den Bergregionen Tibets und Strickwaren aus Nepal. Das Jahr über reisen die Neuwöhlers über Mittelalter- und Kunsthandwerkermärkte. Und wenn sie einmal nicht unterwegs sind, um Geld zu verdienen, entspannen sie sich auf ihrem kleinen Bauernhof in der Nähe des Westerwalds.

 Mani Spahr verkauft in ihrem Stand allerhand Räucherware, Teelichter und weihnachtliche Dekoration.

Mani Spahr verkauft in ihrem Stand allerhand Räucherware, Teelichter und weihnachtliche Dekoration.

Foto: RP/Tim Harpers

Im Winter zieht es die gebürtigen Duisburger aber immer wieder zurück in ihre Heimat. „Seit 1986 machen wir das hier“, sagt Heike Neuwöhler. Und es macht uns noch immer so großen Spaß wie zu Beginn.“

Zwei- bis dreihundert Meter weiter, vorbei am festlich geschmückten Glühweinschiff „Freya“, das mit seinem goldenen Drachen am Bug, einem funkelnden Weihnachtsmann und Geschenken auf dem Dach um die Gunst der Liebhaber duftenden Gewürzweines wirbt, hat Silke Pfeiffer ihr Büdchen aufgesperrt. Die fröhlich wirkende Frau mit ihrer jamaikanischen Dreadlock-Frisur und betont neckischem Haartuch ist eigentlich ein Sommermensch. Dabei könnten die Waren, die sie feilbietet, wohl weihnachtlicher kaum sein. Beleuchtete Weihnachtshäuser und winterliche Landschaften aus Ton und Gips türmen sich in der Auslage der 48-Jährigen. Jede der kleinen Landschaften erzählt dabei eine andere, ganz eigene kleine Geschichte.

Sie habe immer einen Job gesucht, um im Winter Geld zu verdienen, erzählt Silke Pfeiffer. Sie und ihr Mann folgen einem alternativen Lebensentwurf. Im Sommer sind die passionierten Kite-Surfer rund um den Globus unterwegs – immer auf der Suche nach den schönsten Stränden, der spannendsten Brandung, dem besten Wind. Und den Winter verbringt das Paar damit, Geld zu verdienen, damit es sich dieses Leben leisten kann. „Ich bin gerne in Duisburg“, sagt Pfeiffer. „Die Menschen hier im Pott sind einfach offen und sprechen frei Schnauze. Damit komme ich  super klar.“

 Silke Pfeiffer arbeitet nur im Winter. Den Sommer über ist sie zum Kite-Surfen in aller Welt unterwegs.

Silke Pfeiffer arbeitet nur im Winter. Den Sommer über ist sie zum Kite-Surfen in aller Welt unterwegs.

Foto: Tim Harpers

Wer den Stand der Surferin rechter Hand liegen lässt, erreicht nach kurzer Zeit Niki de Saint Phalles Lifesaver. Zwischen der Winterwunderwelt von Silke Pfeiffer und dem Herz des Duisburger Weihnachtsmarktes werben unzählige Essens-, Getränke- und Süßigkeitenbüdchen um Kundschaft. Wer hier entlangflaniert, passiert bergeweise gebrannte Mandeln. Allenthalben  steigt einem der süßlich-nussige Duft heißer Maronen und das typische Odeur zu Kohlestäbchen verbrannter Brat- und Rindswürste in die Nase. Wäre nicht Winter, könnte man sich hier fühlen wie auf jeder Kirmes von Füssen bis Flensburg.

Am Lifesaver angekommen, ist dann auf einmal wieder Weihnachten. Es riecht nach Zeder, Kiefer, Weihrauch  – das Hirn funkt winterlich-festliche Assoziationen nach Kaminfeuern und Weihnachtsmessen. Quelle dieser willkommenen Abwechslung sind die paffenden Räuchermännchen von Familie Spahr.

Seit mittlerweile 35 Jahren kommt Mani Spahr mit den Ihren nach Duisburg. Acht Monate Vorbereitung bedeutetet der Weihnachtsmarkt für sie. Das Jahr über sind die Spahrs auf Messen unterwegs und besorgen Ware – ausgefallene Räuchermännchen und Räucherware aller Couleur. Und so finden sich neben klassischen hölzernen Räuchermännchen auch fauchende Drachen und pfeiferauchende Hunde in der überbordend-bunten Auslage.

   Heike und Klaus Neuwöhler leben mit Familienhund Boris auf einem Bauernhof am Westerwald.

Heike und Klaus Neuwöhler leben mit Familienhund Boris auf einem Bauernhof am Westerwald.

Foto: RP/Tim Harpers

Der Weihnachtsmarkt ist für die Familie eine wichtige Einnahmequelle. „Wir betreiben einen Biohof“, sagt Mani Spahr. „Wir sind Selbstversorger und leben von dem, was wir anbauen.“ Der Weihnachtsmarkt mache es ihnen leichter, im restlichen Jahr über die Runden zu kommen.

Am entfernten Ende der Weihnachtsmeile, also dem Ort, an dem das in diesem Jahr fehlende Riesenrad eine klaffende Wunde in das bunt blinkende, kitschig-schön-pulsierende Geflecht der weihnachtlichen Festbeleuchtung gerissen hat, findet sich schließlich der Stand von Bernd Urban. Er ist der einzige Profi unter den „Weihnachtsmachern“, die bei dieser ersten Runde über den Weihnachtsmarkt etwas von sich preisgeben. Der Marktbeschicker ist das ganze Jahr über in Deutschland unterwegs, um Kinderträume zu verkaufen, wie er sagt. Ein ganzer Zoo aus Plüsch türmt sich vor dem 62-Jährigen in der Auslage. „Ich habe alles“, sagt er. „Von A wie Affe bis Z wie Zebra.“ Zwischen Januar und Dezember tourt er von seiner Heimatstadt Bocholt aus über Märkte von Wilhelmshaven bis Duisburg. Duisburg, sagt er, sei aber immer etwas ganz Besonderes. „Die Menschen hier sind von außergewöhnlichem Schlag.“

Der Blick fällt auf drei Plüsch-Löwen mit wallender Mähne – sie erinnern entfernt an Familie Neuwöhler und Boris. „Drillinge“, sagt Urban und lächelt. „Für die findet sich in diesem Winter sicherlich noch ein schönes Zuhause.“ Vielleicht ja auf einem kleinen Bauernhof im Westerwald...

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