Duisburg Endstation zwischen Hoffen und Bangen
Duisburg · Das Theaterprojekt "Endstation 175" war am Freitag in der Alten Feuerwache in Hochfeld zu sehen. Das Projekt beschäftigt sich mit dem Thema Asyl von Jugendlichen.
Schon Tennessee Williams hatte für sein weltberühmtes Schauspiel "Endstation Sehnsucht" eine Straßenbahnlinie in New Orleans zum Stücktitel auserkoren. Jetzt haben die Macher des Theaterprojekts "Endstation 175" ebenfalls eine real existierende Buslinie in Rom gewählt, um es danach zu benennen. Am Mittwoch vergangener Woche war Premiere in der Alten Feuerwache in Hochfeld. Freitag fand die zweite Vorstellung statt mit anschließender Diskussion. Und kommenden Samstag gastiert die Produktion auf dem Festival "Ruhr International - Das Fest der Kulturen" in der Jahrhunderthalle Bochum.
Schauplatz des Theaterspiels, wie des wirklichen Lebens, ist die besagte Bushaltestelle, wo gestrandete jugendliche Flüchtlinge aus aller Herren Länder nachts ankommen, bis sie am nächsten Morgen von den italienischen Behörden an ihren endgültig zugewiesenen Platz weiterziehen - mit ungewissem Ausgang ihres Asylverfahrens. So beginnt auch das Theaterprojekt "Endstation 175", das die Gruppe "Theater Arbeit Duisburg" (TAD) in Kooperation mit dem Verein Jugendheimstätten Niederrhein und dem Kulturzentrum Alte Feuerwache sowie acht jugendlichen Heimbewohnern, darunter drei afghanischen, aus dem Duisburger Jugendwohnheim Zeppelinstraße erarbeitet hat. Kopf der etwa einjährigen Projektarbeit einschließlich Probenleitung und Inszenierung waren Laila Baghlani von den Jugendheimstätten sowie Harald Schulte, Stefan Schroer und Annika Weitershagen von TAD.
Als Ergebnis herausgekommen ist ein etwa einstündiger, hoch ambitionierter und engagierter Theaterabend, der vor allem einen aus dem Off eingesprochenen Prosatext eines Ich-Erzählers zu Wort kommen lässt. Dieser entstand durch Interviews mit Flüchtlingsjugendlichen, die über ihre Erlebnisse und Gedanken ihrer Flucht und ihres Asylverfahrens mit den Theatermachern sprachen. Das zumeist wortlose Spiel der Laiendarsteller auf der Bühne drückt deren Beklemmung zwischen Hoffen und Bangen um ihr Leben aus: "Als Mensch wünsche ich mir, das Recht auf mein Leben zu haben, um auch in die Zukunft zu schauen. Jeder Mensch hat seine Wünsche. Das ist mein Wunsch", klingt es appellatorisch aus den Lautsprechern.
Die Inszenierung arbeitet gerne mit sinnlichen und metaphorischen Bildern, zu denen das Kinderfangspiel "Fischer, Fischer, wie tief ist das Wasser?" durch den Zuschauerraum als assoziative Verfolgung ebenso gehört wie die Nachstellung der New Yorker Freiheitsstatue durch einen Jugendlichen in Anspielung auf das in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung verfasste Recht auf Glück ("The Pursuit of Happiness"). Musik von David Bowie ("Heros") und The Doors ("The End") erklingt zu denen die aufschlussreiche deutsche Übersetzung im Programmzettel gereicht wird. Ganz zum Schluss wird das Theaterprojekt zum Doku-Drama, als aus einem Original-Gerichtsurteil eines Asylverfahrens und dessen Begründung zitiert wird, um damit den kalten sprachlichen Sumpf des gefühllosen Paragraphendschungels zu offenbaren.
Mit dieser "Steilvorlage" für das Anschlussgespräch wurde das Theaterstück vom Publikum zu Recht heftigst beklatscht und in die Diskussionsrunde verabschiedet. Deren Teilnehmer dort, darunter Rechtsanwalt Michael Gödde, Pfarrer Raphael Nikodemus und die Grünen-Landtagsabgeordnete Dr. Birgit Beisheim, bemängelten übereinstimmend den derzeit politisch unbefriedigenden Zustand im Ausländer- und Asylrecht, insbesondere für sogenannte "unbegleitete minderjährige Flüchtlinge". Gödde: "Das ganze Asylsystem ist krank". Und Beisheim forderte darüber hinaus eine "Vereinfachung des juristischen Dschungels", dem sich Nikodemus anschloss und sich seinerseits für verbesserte Rahmenbedingungen aussprach, indem die Jugendlichen nach Erreichen ihres 18. Lebensjahres besseren "subsidiären Schutz" erhielten. Denn mit ihrer Volljährigkeit unterliegen die jungen Erwachsenen nach deutschem Recht nicht mehr der UN-Kinderrechtskonvention und können in ihr Heimatland abgeschoben werden.
"Die Inszenierung spricht für sich", heißt es bei den Theatermachern. "Doch unsere Arbeit ist nicht beendet, solange nur ein weiterer Flüchtling aus dem Jugendwohnheim in Krieg und Folter abgeschoben oder weiter auch nur damit gedroht wird."