Duisburg Ein kleiner oder lieber ein großer Systemwechsel?

Duisburg · Das zehnte Rathausgespräch stand unter dem Titel "Verdienen wir was wir verdienen? Vom goldenen Vorhang zwischen arm und reich". Kompetente Gäste waren hier Prof. Dr. Susanne Pickel, Politologin an der Universität Duisburg-Essen, Angelika Wagner, Vorsitzende des DGB Duisburg, Dr. Wolfgang Gern, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen, Hubert Ostendorf, Geschäftsführer der Obdachlosenhilfe "Asphalt" und Chefredakteur der Obdachlosenzeitung "fifty-fifty", sowie Dr. phil Philipp Reichling, Ordensmann aus der Prämonstratenserabtei Duisburg-Hamborn, besonnen moderiert von der Wirtschaftsjournalistin Birgitta Lentz.

 Volker Mosblech (Mitte, mit Mikrofon) begrüßte das Publikum zu Beginn des Rathausgesprächs.

Volker Mosblech (Mitte, mit Mikrofon) begrüßte das Publikum zu Beginn des Rathausgesprächs.

Foto: Andreas Probst

Dass die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird, ist längst eine allgemein bekannte Tatsache. 90 Prozent des Weltkapitals befinden sich in den Händen von weniger als einem Prozent der Bevölkerung. Wir erleben, dass Sportlern und Managern riesige Gehälter und Abfindungen gezahlt werden und andererseits vor allem Arbeitslose und Rentner minimale Einkünfte haben. Auch die vielen momentanen Streiks um leistungsgerechte Bezahlung und die Notwendigkeit, über Mindestlöhne zu diskutieren, machen die Schieflage deutlich.

In der Analyse der Situation war sich das Podium weitgehend einig, oft spontan beklatscht vom Publikum. Dr. Gern brachte es auf den Punkt: "Der ehemalige Bundespräsident Heinemann sagte, dass sozialer Ausgleich und Demokratie zusammen gehören. Kippt das eine, verschwindet das andere - und das erleben wir gerade." Laut Politologin Pickel sind nur 30 Prozent der Deutschen mit sozialer Ungleichheit einverstanden, in Ostdeutschland sogar nur 20 Prozent. Die Zahl der Obdachlosen in unserem Land steigt stetig, darunter sind immer mehr Frauen und sogar kleine Kinder. Besonders unmoralisch fanden es die Diskutanten, dass auch Altenheime und Krankenhäuser Gewinn machen müssen und dadurch oft kaum noch Zeit für individuelle Zuwendung bleibt.

Uneinigkeit herrschte nur darüber, ob der notwendige und somit bevorstehende Systemwechsel ein kleiner oder ein großer sein solle. Die Produktivität des ersten Arbeitsmarktes ist längst uneinholbar von derjenigen der Kapitalmärkte abgehängt. Da könnten Beschäftigungsgesellschaften helfen, oder ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Die "Duisburger Rathausgespräche" wurden von Prof. Dr. Wilhelm Sandmann initiiert und werden von ihm gemeinsam mit Dr. Dierck Freytag, Holk Freytag und der Volkshochschule konzipiert und veranstaltet. Themen aus den Bereichen Medizin, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur werden seit zwei Jahren im immer gut gefüllten Ratssaal anregend diskutiert.

(hod)
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