Rp-Serie: Duisburger Geschichte und Geschichten Ein Kino der Superlative

Duisburg · Kinogeschichte in der NS-Zeit: Der legendäre Mercator-Palast (1928 bis 1943) verfügte über einen Saal mit 1200 Plätzen. Ein neuer Teil unserer Serie.

 Der Mercator Palast: Das Fassaden-Plakat "Die Kronzeugin" (1937) zeigt den einstigen Ufa-Star Sybille Schmitz. Deren tragisches Schicksal wurde später von Fassbinder in "Die Sehnsucht der Veronika Voss" verfilmt.

Der Mercator Palast: Das Fassaden-Plakat "Die Kronzeugin" (1937) zeigt den einstigen Ufa-Star Sybille Schmitz. Deren tragisches Schicksal wurde später von Fassbinder in "Die Sehnsucht der Veronika Voss" verfilmt.

Foto: Filmforum

Pracht und Niedergang des Mercator-Palastes illustrierte Kai Gottlob, Chef des Filmforums, jüngst mit einem multimedial aufbereiteten Vortrag. Die historische Rundumschau umfasste den Zeitraum von 1928 bis 1943. Neben der Archivrecherche zum Mercator-Palast spiegelten Videoaufnahmen mit Zeitzeugenberichten und Fotos ein beeindruckendes Bild unserer Stadtgeschichte wider.

1928 war von einer Wirtschaftskrise in Duisburg noch nichts zu spüren. Im Gegenteil, wer Duisburg damals besuchte, erlebte eine geschäftige Großstadt. Der Krieg lag ein Jahrzehnt zurück, und die Menschen hofften, dass auch seine Folgen nach und nach überwunden werden. Die Wirtschaft stabilisierte sich und es entstand eine eher optimistische Grundstimmung.

Die Unternehmerfamilie Carstanjen investierte in das Kinogeschäft - nicht zuletzt durch die beginnende Ausbreitung des Tonfilms. In einem Schreiben vom 25. September 1928 an den Stadtausschuss wurde der hohe Anspruch an Marktführerschaft, Architektur und Spielplan formuliert. Tatsächlich setzte der Mercator-Palast des Architekten Gustav Grube ein Glanzlicht in der Innenstadt. Die opulente Innenausstattung verströmte bei der Eröffnung am 29. September 1929 ein exklusives Flair. Ein Kino der Superlative. Das Haus mit 1200 Plätzen, großer Bühne und Orchestergraben überzeugte mit einem anspruchsvollen Programm. Kulturfilme, Kleinkunstprogramme und wissenschaftliche Vorträge fanden im Mercator Palast statt. Das kulturelle Angebot Duisburgs war vielfältig und weckte mit seiner blühenden Kinolandschaft bei manchen Duisburgern gar die Illusion einer aufstrebenden Metropole.

Am 25. Oktober 1929 erreichte Europa die Nachricht von einem dramatischen Börsencrash an der US-amerikanischen Wall Street. Der "Schwarze Freitag" mit der folgenden Weltwirtschaftskrise traf auch die Unterhaltungsbranche mit voller Wucht. Die Besucherzahlen in den Kinos brachen ein. Die Arbeitslosenquote in Duisburg stieg auf über 35 Prozent - 65.000 Menschen in Duisburg waren betroffen. Viele Kinos boten "Sondervorstellungen für Erwerbslose" an, meistens samstags vormittags, Preis 40 Pfennige. Damit war der Besucherrückgang nicht zu stoppen. Das Elend der Massenarbeitslosigkeit verschärfte die politische und soziale Auseinandersetzung, die politischen Strömungen polarisierten sich.

Das war der Boden, auf dem die Saat Hitlers aufgehen konnte. In der Übertragung der Regierungsgeschäfte an Hitler und seine Partei, von der Ufa als nationale Erhebung des Vaterlandes gefeiert, sah die Film- und Kinobranche die Chance, aus dem Tief wieder herauszukommen. In seiner Regierungserklärung am 23. März 1933 zum Ermächtigungsgesetz verkündete Hitler, dass der Film neben dem Theater, dem Rundfunk, der Literatur und der Presse der Erhaltung der im "Wesen unseres Volkstums liegenden Ewigkeitswerte" zu dienen habe. "Film war das unumstrittene Leitmedium dieser Zeit und das bewegte Bild meinungsbildend", so Kai Gottlob in seinem Vortrag.

Der Film diente nicht zuletzt der Kriegsvorbereitung. Die zunehmende nationalsozialistische politische Beeinflussung geschah keineswegs gegen den Willen der Mehrheit der Film- und Kinobranche. Das NS-Regime konnte bald mit einem durch Kriegswirtschaft getriebenen Wirtschaftswachstum bei der Bevölkerung punkten. Tatsächlich sank in wenigen Jahren die Arbeitslosigkeit deutlich - gleichzeitig stiegen die Besucherzahlen der Duisburger Kinos ab 1936 deutlich an. Dazu trugen auch die "Jugendfilmstunden der Hitlerjugend" bei. Die Leitung des Lichtspieltheaters war begeistert von der "Neuen Zeit". Das waren sicher auch andere Lichtspielbetreiber, der sehr schnell "arisierten" Duisburger Kinos. Die Wochenschauen wurden für die NS-Propaganda und Siegesmeldungen genutzt, aber insbesondere die Unterhaltungsfilme hatten die Funktion, vom Alltag und Schrecken des Krieges abzulenken.

Reine Propagandafilme, wie Hitlerjunge Quex (1933), "Triumph des Willens" (1935), "Jud Süß" (1940) und Ohm Krüger ( 1941) nahmen allerdings nur zehn Prozent der Filmproduktion ein. Goebbels setzte nicht auf plump-direkte, sondern auf latent-unterschwellige Beeinflussung. Bedeutende Protagonisten und Regisseure lieferten künstlerisch anspruchsvolle Filme ab. Die Besucherzahlen erreichten mitten im Krieg einen Höchststand. Heute kaum noch nachvollziehbar - fast eine Milliarde Kinobesucher jährlich zählte man in ganz Deutschland. Aktuell sind es etwa 125 Millionen.

Der Mercator Palast avancierte zum alleinigen Erstaufführungstheater der Ufa in Duisburg. Am 26. März 1942 fand im Mercator-Palast die internationale Premiere von "Zwischen Himmel und Erde" statt. "Das Filmdrama spielte in Xanten in der Zeit 1870/71, was den Filmautoren die Gelegenheit für politische Anspielungen gegen den "Erbfeind Frankreich" gab, so der Filmspiegel.

Ein Jahr nach der deutschlandweiten Erstaufführung war der Mercator Palast Vergangenheit. Ein britischer Bombenangriff zerstörte das größte Lichtspielhaus. Er wurde nie wieder aufgebaut.

(RP)
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