Duisburg-Rheinhausen Ein Haus voller Straftäter
Duisburg · Fast jeden Abend gibt es in einem Hochhaus im Duisburger Stadtteil Rheinhausen einen Polizeieinsatz. 300 Menschen aus Rumänien und Bulgarien leben hier. Viele von ihnen wurden bereits straffällig. Polizei und Stadt sind ratlos.
In deutschen Gefängnissen gehe es den Straftätern besser als in ihrer alten Heimat, sagt ein Beamter.
Das Hochhaus in Rheinhausen ragt über die Dächer des Duisburger Westens wie ein Symbol gescheiterter Integration. Auf den Etagen und Fluren des ehemaligen Zechengebäudes herrscht Elend und Gewalt, mehr als 350 Strafverfahren hat die Polizei gegen die geschätzt 300 rumänisch- und bulgarischstämmigen Bewohner bereits in diesem Jahr eingeleitet.
"Wir können das Problem nicht lösen"
Täglich stehen Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht und Mitarbeiter des Ordnungsamtes vor der Eingangstür. "Wir können das Problem aber nicht lösen", gesteht ein Polizeisprecher. Die hohe Kriminalität sei auch Resultat einer verfehlten Integrationspolitik, "die wir als Polizei ausbaden müssen".
Das Gebäude, das gleich neben den gepflegten Eigenheimen steht, heißt bei den Anwohnern des bürgerlichen Viertels schlicht "Problemhaus". Ordnung und Sauberkeit spielt im Viertel eine wichtige Rolle. Seit die Ausländer da sind, sagt ein Anlieger, müsse man Angst haben, in der Dunkelheit auf die Straße zu gehen.
Die Wut ist groß
Die Wut ist groß — so wie sie es zuletzt 1987 in dem Stadtteil war, als die Rheinhausener wegen der drohenden Schließung der Kruppwerke auf die Straße gegangen sind. Damals ging es um den Erhalt von Arbeitsplätzen. Diesmal geht es um viel mehr: "Die Zuwanderer verschandeln unsere Heimat", klagen die Anwohner.
Die Hochhausbewohner, die zu den etwa 20.000 Bulgaren und Rumänen gehören, die in den vergangenen zwei Jahren in der Hoffnung auf ein besseres Leben ins Rheinland und Ruhrgebiet gekommen sind, begegnen den Anfeindungen mit altem Obst, das sie auf ihre deutschen Nachbarn werfen. Manche kippen auch Wasser von den Balkonen herunter, wenn sich Neugierige zu nah an das Gebäude heranwagen.
Schleuser schaffen Menschen nach Duisburg
Bilkin und Swetlana (Namen geändert) spüren, dass sie nicht willkommen sind. Das junge Ehepaar, beide 19 Jahre alt, teilt sich im Hochhaus mit seiner Großfamilie eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung, kaum 50 Quadratmeter groß. Im Sommer ist es in einem Kleinbus mit zehn Verwandten aus Bulgarien nach Duisburg gekommen, erzählt Bilkin.
Etwa 300 Euro haben die beiden einem Schleuser für ihr neues Leben bezahlt, um dem Elend und der Gewalt in ihrem Heimatland zu entfliehen, wo sie auf der Straße mit Steinen beschmissen, bespuckt und geschlagen worden sind, weil sie der Volksgruppe der Roma angehören. Swetlana zieht den rechten Ärmel ihres Pullovers hoch. Vier Brandmale hat sie auf ihrem Unterarm. "Zwei Männer haben mich festgehalten und ihre Zigaretten darauf ausgedrückt, als ich 13 Jahre alt war", sagt sie. "Verstehen Sie jetzt, wieso wir nach Deutschland gekommen sind?"
Legal in Deutschland
Als EU-Bürger können sich die Zuwanderer legal in Deutschland aufhalten. 5500 sind in Duisburg gemeldet. Sie dürfen zwar Kindergeld beziehen, aber nicht normal arbeiten. Wer kann, verdingt sich laut Polizei illegal als Tagelöhner für vier bis fünf Euro die Stunde auf dem Bau, Frauen prostituieren sich. Viele rutschen in die Kriminalität ab, begehen Einbrüche, brechen Autos auf, bestehlen Passanten in den Einkaufszonen.
Strafen schrecken sie nicht ab. "Diese Menschen haben nichts zu verlieren. Im Gefängnis geht es ihnen noch deutlich besser als in ihren Heimatländern", sagt ein Polizeisprecher. Die Stadt Duisburg ist mit der massenhafen Zuwanderung überfordert. "Wir können und wollen die Menschen nicht umsiedeln, wir leben in einem Rechtsstaat", sagt eine Sprecherin der Stadt Duisburg.
Integrationsbeauftragte will Vertrauen schaffen
Die städtische Integrationsbeauftragte, Leyla Özmal, fordert: "Anwohner und Zuwanderer müssen aufeinander zugehen. Nur miteinander kann man das Problem lösen, Vertrauen schaffen und Ängste abbauen." Eine Aufgabe, so vertrackt wie die Rettung des Euro.
Die rechtsradikalen Parteien NPD und Pro NRW nutzen die aufgeladene Stimmung für ihre Zwecke, werfen Flugblätter gegen die Zuwanderer in die Briefkästen, kleben Hetzplakate an Laternen und Stromkästen. An der Eingangstür des Hochhauses haben Unbekannte mit Filzstift ein Hakenkreuz geschmiert — es dauerte Tage, bis das Nazisymbol beseitigt war.
Urin und NPD-Flugblätter
In den kargen Fluren des Gebäudes riecht es nach Urin, Putz bröckelt von den Decken, in einem dunklen Verschlag türmen sich benutzte Windeln. Kinder spielen draußen bei Temperaturen von unter zehn Grad barfuß im Müll, den die Bewohner aus dem Fenster geschmissen haben, weil sie es nicht anders kennen.
Diese Menschen, sagt Roman Franz vom NRW-Landesverband Deutscher Sinti und Roma, seien nichts anderes gewohnt, als in primitivsten Verhältnissen zu leben. "Es sind die Ärmsten der Armen, die in ihren Heimatländern auf Deponien gehaust haben." Sie benötigten Zeit, um sich den deutschen, für sie völlig unbekannten Lebens- und Hygienestandards anzupassen.