Duisburg Ein bisschen mehr Dolce Vita
Duisburg · Renato Venier führt ein kleines Eiscafé an der Mülheimer Straße. Als er vor 30 Jahren nach Deutschland kam, ließ er Verwandte und Freunde in Italien zurück. Heute pendelt er mit seiner Familie zwischen Udine und Duisburg.
Das momentane Wetter macht Renato Venier ein wenig zu schaffen. Der Besitzer des Eiscafés Primavera an der Mülheimer Straße in Neudorf schließt sein Geschäft für gewöhnlich in den Wintermonaten und verbringt dann die Zeit mit seiner Familie in Italien. Diesmal ist er offensichtlich zu früh nach Duisburg zurückgekommen. "Bei diesen Temperaturen haben die Leute noch keinen Appetit auf Eis", sagt er. Er könne das durchaus verstehen. "Wenn ich selbst noch keine Lust auf Eis habe, wie kann ich das dann von anderen Leuten erwarten?"
Eingepackt in eine dicke Fleece-Decke und bei einer Tasse Espresso im Freien, dem einzigen Produkt, das im Moment wirklich gut "läuft", erzählt er von seinem Leben in zwei Ländern. Es ist eine Geschichte zwischen "Dolce Vita" und dem geordneten Deutschland, das er über die Jahre schätzen gelernt hat.
Venier ist vor knapp 30 Jahren nach Duisburg gekommen. Er wollte damals der Arbeitslosigkeit in seiner Heimat entgehen und fand eine Anstellung in dem Eiscafé eines Freundes. "Nach etwa zehn Jahren fand ich, ich hätte genug gelernt", erzählt er. "Ich habe darum beschlossen, mich selbstständig zu machen." Seitdem führt er die kleine Eisdiele am Lutherplatz.
Seine Ehefrau hat er in Italien kennengelernt — auf Heimatbesuch bei der Mama in Udine. Seine Kinder sind zweisprachig erzogen. "Meine Kleinen können genauso gut italienisch, wie deutsch", sagt er und wirkt dabei ein wenig stolz. Die Verbindung mit Italien bestimmt nach wie vor sein Leben und ist niemals wirklich abgerissen. "Die Anfangszeit in Deutschland war schwer für mich", erinnert sich Venier. "Mir hat vor allem die offene Art der Italiener gefehlt. In Deutschland wirken die Menschen auf den ersten Blick immer ein wenig kühler." Mittlerweile habe er sich aber daran gewöhnt und könne sagen, dass dieses Vorurteil so eigentlich auch nicht zutrifft. "Wenn man euch Deutsche besser kennt, dann taut ihr schnell auf und geht auch sehr herzlich miteinander um." Im Vergleich zu seiner Heimat im norditalienischen Udine sei Duisburg deutlich sauberer. Auch der Umgang mit den Behörden sei wesentlich angenehmer. "Wenn man sich hier an ein Amt wendet, kann man darauf vertrauen, dass die Angelegenheiten unparteiisch und vergleichsweise zügig geregelt werden", so seine Erfahrung. "Das ist in Italien nicht selbstverständlich", so der Eiscafé-Besitzer.
Wie wichtig ihm sein "zweites Leben" jenseits der Alpen ist, wird trotz der lobenden Worte für seine Wahlheimat immer wieder im Gespräch mit ihm deutlich. Sobald er anfängt, vom warmen Süden zu erzählen, schleicht sich ein Glitzern in seine Augen. Wenn er über Weihnachten nach Italien fliege, dann fühle er sich auch noch nach 30 Jahren jedes Mal so, als würde er nach Hause fahren, gibt er zu. Denn schließlich warten in Italien seine Mutter, sein Elternhaus und seine Freunde auf ihn und seine Familie. "Wenn wir in Udine sind, gibt es gutes Essen, und wir treffen Freunde und Verwandte, die wir lange nicht mehr gesehen haben", erzählt er und wirkt dabei ein wenig abwesend. "In meiner Brust schlagen zwei Herzen. Ich lebe wirklich gerne in Deutschland, doch manchmal wünsche ich den Leuten hier ein kleines bisschen mehr italienische Lebensweise."