Aktuelle Uni-Studie Islam hat schlechten Ruf bei der Jugend

Duisburg · Wie denken Jugendliche über den Islam? Diese Frage wurde jetzt mit wissenschaftlichen Methoden von zwei Wissenschaftlerinnen der Universität Duisburg-Essen untersucht.

 Lamya Kaddor forscht an der Uni.

Lamya Kaddor forscht an der Uni.

Foto: andré Zelck

Muslime gehören zu der größten Migrantengruppe in Duisburg und in Deutschland überhaupt. Vorurteile gibt es viele. Zwei Bildungswissenschaftlerinnen der Universität Duisburg-Essen (UDE) wollten wissen, wie islamfeindlich Jugendliche und junge Erwachsene sind. Lamya Kaddor führte dazu innerhalb der Lehrstuhl-Arbeit von Prof. Dr. Nicolle Pfaff Tiefen-Interviews an Schulen in Nordrhein-Westfalen durch. Jetzt wurden erste Zwischenergebnisse der von der Stiftung Mercator geförderten Studie vorgestellt.

Muslime in Deutschland sehen sich seit einigen Jahren verstärkt mit Anfeindungen, verbaler und zum Teil sogar physischer Gewalt konfrontiert; Teile der Bevölkerung sprechen ihnen die Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft ab. Diese Diagnose setzten die beiden Wissenschaftlerinnen als gegeben voraus. Darüber hinaus zeigt ihre aktuelle Studie, dass islamfeindliche Tendenzen auch unter Jugendlichen verbreitet ist. In der jetzt veröffentlichen Untersuchung wird erstmals analysiert, wie junge Menschen hierzulande über den Islam und Muslime denken.

Befragt wurden 20 Schülerinnen und Schüler von Gymnasien, Berufsschulen und Berufskollegs in Groß- und Kleinstädten in Nordrhein-Westfalen zwischen 16 und 26 Jahren. In so genannten Tiefeninterviews wurde ihre Meinung zum Islam, zu Integration und Migration erfragt. In den mehr als 800 Aussagen der Jugendlichen zum Islam waren vier Redeweisen dominierend: Islamismus, Unterdrückung (besonders von Frauen), Bedrohung der eigenen Identität und das Phänomen der Parallelgesellschaft. Die Studie wurde bewusst in Nordrhein-Westfalen durchgeführt, wo Muslime und das Zusammenleben in Vielfalt für die meisten jungen Menschen als normaler Bestandteil gesellschaftlichen Lebens gilt.

Bei den Aussagen wurde eine Schere zwischen Sach- und persönlicher Ebene sehr deutlich. Der vielfältige, persönliche Kontakt zu Muslimen führt durchaus zu einer Differenzierungs- und Reflexionsfähigkeit unter Jugendlichen, ist eine Erkenntnis der Studie. Aber auf der Sachebene äußerten sich viele junge Menschen abwertend über den Islam, „besonders wenn sie selbst kaum Berührungspunkte zu Muslimen aufweisen“, heißt es in der schriftlichen Zusammenfassung.

Eine wichtige Erkenntnis, die sich aus der Studie ergibt, ist: Wenn die Abwertung von Muslimen in der Lebenswelt von Jugendlichen präsent ist oder, wenn es biographisch für sie selbst Sinn macht, andere abzuwerten, dann bedienen und zitieren Jugendliche Aussagen aus dem islamfeindlichen Diskurs. „Für die Bildungsarbeit ergibt sich aus diesen ersten Befunden, dass jungen Menschen Chancen und Möglichkeiten zur Solidarisierung mit Muslimen und zur Reflexion von Rassismus eröffnet werden müssen“, sagt Lamya Kaddor.

Auf Basis dieser Ergebnisse werden nun von der Universität Duisburg-Essen in Kooperation mit der Universität Bielefeld Fragebögen entwickelt und 500 Schüler befragt, um das Phänomen Islamfeindlichkeit unter Jugendlichen auch quantitativ zu beleuchten sowie erste pädagogische Ansätze zu erarbeiten. Zwei Leitfragen sollen diese große Stichprobe unter den Schülern begleiten: Wie sind die Vorurteile gegenüber Muslimen und dem Islam verankert und wie gut können die Befragten ihnen widerstehen?

Die Islam- und Bildungswissenschaftlerin Lamya Kaddor hat für den Lehrstuhl von Prof. Nicolle Pfaff die Studie federführend durchgeführt. Sie ist in Duisburg seit einigen Jahren gut bekannt: Vor fünf Jahren veröffentlichte sie zusammen mit Michael Rubinstein, damals noch Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen, das Buch „So fremd und doch so nah“. Darin führen die beiden einen öffentlichen, wissenschaftlichen jüdisch-muslimischen Dialog: ehrlich und tolerant. Beide Gesprächspartner eint das Bewusstsein, dass sie jeweils in einer Glaubensgemeinschaft zu Hause sind, die sie zu „Anderen“ werden lässt. Vor zwei Jahren wurde Lamya Kaddor mit dem Duisburger Integrationspreis ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand damals unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen statt, da Lamya Kaddor in den Wochen zuvor zahlreiche Hassmails bekommen hatte. Ihre eigene Position sieht sie so: „Einsatz für die Rechte der deutschen Muslime und Einsatz dafür, dass sich deutsche Muslime nachhaltig in ein vom Grundgesetz geprägtes Land integrieren.“

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