Stadtgeschichte Die vergessene Universität

Vor 200 Jahren wurde die Alte Universität Duisburg aufgelöst. Das allgemeine Universitätssterben war eine Folge der Hochschulpolitik im Reich.

                       Johannes Clauberg war der erste Rektor der Duisburger Universität.

Johannes Clauberg war der erste Rektor der Duisburger Universität.

Foto: stadtmuseum

Es gibt kaum einen Sender in Deutschland, der nicht mindestens einmal in der Woche ein Quiz im Programm hat. Wer waren Clauberg, Leidenfrost, Merrem, Plessing oder Krummacher? Hätten Sie`s gewusst? Es waren Professoren der Alten Universität - Duisburger Staßen tragen heute noch ihre Namen. Doch die Erinnerung an die Alte Universität Duisburg droht zu verblassen.

Die Anfänge der Alten Universität können etwa im Jahr 1560 festgemacht werden. Mit etwa 2000 Einwohnern gehörte Duisburg im 16. Jahrhundert immerhin zur Gruppe der Mittelstädte – war somit keine Ackerbürgerstadt. Zu dieser Zeit genoss die Stadt mit dem Gelehrtennetzwerk um Gerhard Mercator den Ruf „Duisburgum doctum“. Humanisten wie Johann Otho, Georg Cassander, Cornelius Wouters und Johannes Molanus gaben der Stadt gerade im Bildungsbereich wichtige Impulse. Religiöse Toleranz, Humanismus, ein akademisches Gymnasium sowie Kartographie und Wissenschaft prägten das Image der Stadt. Corputius, ein Schüler Gerhard Mercators, warb 1566 folgerichtig mit einem Stadtplan für die Universitätsgründung. Doch der Dreißigjährige Krieg und spanische Besatzungstruppen bremsten den erhofften Aufschwung. Erst knapp hundert Jahre später, am 14. Oktober 1655, war es dann soweit. Mit der Universität in den Mauern Duisburgs schaffte die Stadt den Sprung in die Liga von 40 Hochschulen im Reich – ein Bollwerk der Reformation gegen den Einfluss der Jesuiten in Düsseldorf und Köln. Mit Johannes Clauberg (1622 – 1665) wurde ein in ganz Westeuropa bekannter Reformtheologe und Philosoph Rektor. Er war einer der ersten und wichtigsten Vertreter der Philosophie des Franzosen René Descartes in Deutschland.

Im 18. Jahrhundert aber schlug die anfangs positive Entwicklung der Studentenzahlen um. Die Duisburger Universität wurde zum Spielball machthungriger Herrscher. Militär statt Bildung lautete jetzt die Parole. Die Verwaltungen der jeweiligen Herrscher – seien es die Preußen oder Napoleon – setzten eine Negativspirale in Gang. Es wurde Jahr für Jahr an Bildungsausgaben gespart, die Studenten blieben weg, die Professoren gingen nach Leiden oder Utrecht , so auch der renommierte Professor Pieter van Musschenbroek. Das Universitätssterben war kein Duisburger Einzelphänomen, sondern ein Spiegel der Gesamtentwicklung im Reich, so Dr. Hendrik Friggemann von der Uni Duisburg. Die Ursachen: Die staatliche Hochschulpolitik orientierte sich zunehmend an Wirtschaftlichkeit und Standortfragen. Hinzu kam eine Debatte um die „Akademikerschwemme“ und die linksrheinische Besetzung durch Napoleon Bonaparte.

Von Aufhebung und Fusion waren allein 24 Hochschulen im Zeitraum 1781 bis 1818 im gesamten deutschen Reich betroffen. Das war mehr als die Hälfte der damaligen Hochschullandschaft. 1820 bestanden nur noch 21 Universitäten im Reich. So kam vor 200 Jahren das Aus. Dass trotz dieser widrigen Umstände eine Reihe von außergewöhnlichen Professoren und Absolventen hervorgebracht wurden, spricht für die Universität Duisburg. Das „Leidenfrost-Phänomen“ (Wassertropfen auf der Herdplatte) oder die physikalische Messtechnik von Musschenbroek seien hier beispielhaft genannt. Schriftsteller wie August Kotzebue und Carl Arnold Kortum finden sich zudem in den Immatrikulationslisten. Die Herkunftsländer der Studenten spiegeln frühe Globalisierung wider: Schottland, Siebenbürgen, Molukken und sogar Japan tauchen in den Matrikeln auf. Etliche Absolventen der Duisburger Universität wurden später in Surinam, Batavia oder am Kap der Guten Hoffnung tätig.

Diese frühe Internationalität kontrastiert mit der negativen Sichtweise der Stadtgesellschaft zum Universitätsstandort bis in die Nachkriegszeit. 1951 wies Oberbürgermeister Seeling in einer Pressekonferenz die immer wieder lautwerdenden Vermutungen zurück, dass eine Neugründung geplant sei. „Duisburg sei eine Stadt der Arbeit und Industrie und wolle es auch bleiben“. Diese Haltung veränderte sich erst in den 60er Jahren. Der Philosoph und Theologe Georg Picht prägte 1964 den Begriff der „Bildungskatastrophe“, mit dem er eine breite Debatte auslöste. Mit der Gründung der Gesamthochschule Duisburg im Jahre 1972 und der 2003 erfolgten Fusion mit der Essener Schwestereinrichtung zur heutigen Universität Duisburg-Essen blühte dieser – nun regional erweiterte – Hochschulstandort wieder auf.

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