Duisburger Jahrbuch 2021 Die Gesichter einer Stadt

Duisburg · Das Duisburger Jahrbuch 2021 vereinigt interessante Artikel aus Kultur, Natur, Geschichte, Sport, Architektur und Stadtleben. Die Corona-Pandemie ist natürlich präsent.

 So sieht das Cover des Duisburger Jahrbuches 2021 aus.

So sieht das Cover des Duisburger Jahrbuches 2021 aus.

Foto: Mercator-Verlag

„Querdenker“, die eine Pandemie verharmlosen, gab es schon vor 130 Jahren. Davon lesen wir in einem der vielen interessanten Artikel im gerade erschienenen „Duisburger Jahrbuch 2021“. Unter der Rubrik „Historisches“ beschäftigen sich die beiden Autoren Thorsten Fischer und Michael Voith mit der sogenannten „Russischen Grippe“, die in den Jahren 1889/ 1890 grassierte und der schätzungsweise eine Million Menschen zum Opfer fielen. Im Deutschen Reich starben mehr als 50.000 Menschen an dieser heute fast vergessenen Pandemie. Die Russische Grippe, die ihren Namen wegen ihres vermuteten Ausbruchsorts St. Petersburg bekam, gilt als die erste Pandemie der Menschheitsgeschichte, die in den Medien ausführlich thematisiert wurde, schreiben Fischer und Voith in ihrem Aufsatz. Gerade zu Beginn wurde die Pandemie verharmlost. So hieß es Ende 1889 über die „Modekrankheit“: „Mag die Influenza eine wirkliche Krankheit oder ein bloßes Hirngespinst sein, auf jeden Fall hat jeder Hypochonder sich ihrer bemächtigt, froh, der unendlichen Zahl seiner Leiden einen neuen Namen hinzufügen zu können.“ Der ironische Witz verschwand aber kurz darauf aus den Gazetten. Am 2. Januar 1890 stand in der Duisburger Rhein-Ruhr-Zeitung: „Die Zahl der Influenza-Kranken in unserer Stadt mehrt sich von Tag zu Tag. Manche Familien haben kaum noch ein gesundes Mitglied aufzuweisen.“

Das Thema Corona wird natürlich auch in Artikeln, die unsere unmittelbare Gegenwart betreffen, in den Blick genommen. Claudia Kleinert, in der Duisburger Volkshochschule für die kulturelle Bildung zuständig, beschreibt, wie die VHS nach dem Shutdown nach Arbeits und Kommunikatinsmöglichkeiten gesucht hat. „Die digitale Welt hat uns viel schneller zum Lernen gezwungen als gedacht“, schreibt sie als Fazit. Und Olaf Reifegerste kommt in seinem Aufsatz „Kunst und Kultur in Zeiten von Corona“ zu dem Schluss: „Verlierer der Krise sind alle analogen Medien – Gewinnerin ist die Digitalisierung.“ Aber natürlich sehnt sich auch Reifegerste nach „Theaternormalität“. Wenn die wieder eintritt, kann man sich in Duisburg auf viele neue Impulse, besonders im Schauspielbereich, freuen. Florian Götz, seit einem Jahr Dramaturg am Theater, skizziert, was sich gerade in jüngster Zeit in Duisburg getan hat. Längst ist das Duisburger Theater mehr als nur ein Gastspielhaus; hier gibt es mittlerweile zahlreiche Eigenproduktionen und erfolgreiche Kooperationen unter Duisburger Federführung. Mit Recht kann man, so zeigt Götz, von einem eigenen „Schauspiel Duisburg“ sprechen. Und ein weiteres Mal blickt das Jahrbuch ins Duisburger Theater: Die Kulturjournalistin Anne Horstmeier beschreibt das Wirken von Martin Schläpfer, der die Rheinoper Richtung Wien verlassen hat. Schläpfers Weggang ist das Ende einer großen Ära, heißt es in der Würdigung.

Fast jeder der 25 Artikel des Jahrbuchs verdiente hier eine Hervorhebung. Wer in dem Jahrbuch zu lesen beginnt, liest sich schnell fest, wobei der Wechsel der höchst unterschiedlichen Themen gerade das Fesselnde ist. Scheinbar Bekanntes sieht man bisweilen in einem neuen Licht. Beim Stadtwerketurm ist das sogar wörtlich zu nehmen: Thomas Richter erinnert daran, dass der zu Duisburgs Wahrzeichen mutierte einstige Abgasturm am 17. September 2020 mit dem Deutschen Lichtdesign-Preis ausgezeichnet wurde. Das dürfte vielen bekannt sein. Doch wer vermutet, dass der Turm in einer Million verschiedener Farbnuancierungen angestrahlt werden kann? Wie spannend Technik sein kann, wird auch in Richters Aufsatz über den Neubau der A 40-Rheinbrücke bewiesen, die ein Jahrhundert-Bauwerk zu werden verspricht, das hoffentlich in sechs Jahren fertig ist.

Das Thema Natur kommt groß in den fachkundigen Beiträgen über die Sechs-Seen-Platte (Jürgen Hinke) und den Landschaftspark Duisburg-Nord (Peter Keil) raus. Engagiert, informativ, aber auch kritisch ist der Beitrag von Frank Switala über die Landmarke „Tiger & Turtle“, die vor zehn Jahren eingeweiht wurde und deren sympathische Wirkung durch eine riesige Logistikhalle, die in diesem Jahr in unmittelbarer Nachbarschaft errichtet wurde, getrübt wird. Switala hält mit seiner Kritik an der Halle nicht hinterm Berg.

Eine Sonderstellung im Jahrbuch ist das Porträt des Duisburger Künstlers Cyrus Overbeck, der im Interview mit dem Journalisten Ingo Plaschke seinen aktuellen Kunstzyklus „Heimatmuseum – Album der Erinnerung“ vorstellt. Teil dieser Werkserie ist ein Porträt von Duisburgs ehemaligem Oberbürgermeister Josef Krings, den Overbeck auf seine Weise ehrt.

Wer über unsere Gegenwart klagt, den weist der Lokalhistoriker Harald Küst entschieden zurecht: Der durch die montägliche RP-Serie „Duisburger Geschichten und Geschichte“ bekannte Autor schlägt ein Kapitel Duisburger Medizingeschichte auf, als es noch kein Penicillin, keine Impfung und keine Narkose gab. Da haben wir es heute doch besser...

Duisburger Jahrbuch 2021: 29. Jahrgang, 192 Seiten in Farbe mit vielen Abbildungen, Mercator-Verlag, 16 Euro

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