Duisburger Geschichten und Geschichte Stromkrieg – Aufbruch in die Moderne

Duisburg · Geniale Erfinder, Machtmenschen und schmutzige Kampagnen. Wie in den USA und Europa der Wechselstrom zum Standard wurde.

 Die Kontrahenten im US-amerikanischen Stromkrieg gegen Ende des 19. Jahrhunderts (von links): Thomas Edison gegen Nikola Tesla und George Westinghouse

Die Kontrahenten im US-amerikanischen Stromkrieg gegen Ende des 19. Jahrhunderts (von links): Thomas Edison gegen Nikola Tesla und George Westinghouse

Foto: Harald Küst

Die Elektrifizierung der Stadt Duisburg begann 1903. Im gleichen Jahr wurde in den USA von einem gewissen Harlod P. Brown, ein Mitarbeiter des berühmten Erfinders Edison, der Einsatz des Elektrischen Stuhl (Electrocution) Schaulustigen vorgestellt. Das Opfer war ein weiblicher Elefant namens Tobsy.  Das Tier hatte zuvor drei Menschen getötet;  darunter einen Wärter, der versucht hatte, es mit einer brennenden Zigarette zu füttern. Der Elefant galt als äußerst gefährlich und sollte exekutiert werden. Topsy stand dabei mit dem rechten Vorderfuß und dem linken Hinterfuß auf speziell angefertigten Elektroden. Durch Anlegen einer Wechselspannung von 6600 Volt wurde der tödliche Stromfluss eingeleitet.  Die Edison Manufacturing Company filmte das traurige Geschehen für ihr Kinetoskopgeschäft: Nach einer Minute verendete das arme Tier. Die doppelbödige Werbebotschaft für die Electrocution lautete: Gleichstrom ist ungefährlich, Wechselstrom tötet schnell und zuverlässig. 

Der unwürdigen Demonstration ging ein jahrelanger „Stromkrieg“ (englisch: „war of currents“) voraus. Zwischen 1880er bis 1890er tobte in den USA eine Propagandaschlacht zwischen dem Erfinder Thomas Alva Edison und seinem Konkurrenten George Westinghouse um die Vorherrschaft auf den Elektromarkt. Jahre vor dem Tod des Zirkuselefanten ließ Thomas Alva Edison Katzen, Hunde und Pferde durch Strom hinrichten, um die Gefährlichkeit hoher Wechselspannungen zu beweisen. Man stritt vor Gericht über Patente und versuchte Politik und Öffentlichkeit auf die eigene Seite zu ziehen.

Sein Gegner Westinghouse hatte frühzeitig erkannt, dass Wechselstrom deutlich kostengünstiger zu erzeugen und zu verteilen war als Gleichstrom. Der geniale Ingenieur Nikola Tesla (1856-1943), ein ehemaliger Mitarbeiter Edisons, arbeitete ab 1888 mit Westinghouse zusammen. Das Erfindergenie, das sich zwanghaft vor Keimen und vor Haaren fremder Menschen fürchtete und schwitzte, wenn es einen Pfirsich sah, dieser exzentrische Visionär schuf ein komplettes Wechselstromsystem. Tesla  erfand den ersten Wechselstrommotor und entwickelte die Technologie zur Erzeugung und Übertragung von Wechselstrom über längere Strecken. Mit spektakulären Schauvorführungen demonstrierte der „Magier Tesla“, das gigantische Blitze keinerlei Gefahr darstellten. Den Durchbruch brachte die Weltausstellung in Chicago 1893: Westinghouse erhielt den Zuschlag, die Ausstellung mit Strom und Licht zu versorgen. Fast 200.000 Glühbirnen erleuchteten das Ausstellungsgelände - die öffentlichkeitswirksame Lichtshow begeisterte das Publikum. Die wirtschaftlichen Vorteile des Wechselstromsystems überzeugten Fachwelt und Investoren. Selbst die Firma General Electric, die mit Unterstützung von Edison 1892 gegründet wurde, entschloss sich auf das Wechselstromsystem umzusteigen. Der Wettbewerb um die Standards für die Energieversorgung war entschieden.

In Deutschland  gelang bereits im Sommer 1891 die weltweit erste Stromübertragung mit hochgespanntem Dreiphasen-Wechselstrom (Drehstrom).  In Berlin verkörperte ein Pionier der Elektrotechnik, Werner von Siemens, Unternehmertum und Erfindergeist. Aber wie  sah es in Duisburg aus?

1903 ging das erste Elektrizitätswerk an der Zirkelstraße ans Netz. Die Anlagen zur Stromerzeugung umfassten einen Gleichstromgenerator sowie einen Umformer auf Dreiphasen-Wechselstrom. Mit der Eingemeindung von Ruhrort und Meiderich gab es in Duisburg zwei Stromanbieter: Stadtwerke und RWE. Preisunterschiede am Elektromarkt führten 1911 zu Verhandlungen mit dem RWE über den Verkauf des Elektrizitätswerks. Der Vorstoß von Oberbürgermeister Lehr war umstritten und wurde am 9.7.1912 vom Stadtrat abgelehnt. Man befürchtete, dass niedrigere RWE-Elektrizitätspreise zur Senkung des Absatzes von Gas der Stadtwerke führen würden.

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