Duisburger Geschichten und Geschichte Sprungstarker Artist sucht Partnerin
Serie | Duisburg · Der Floh pflegt seit Jahrhunderten eine äußerst innige Beziehung zum menschlichen Körper. Als Artist zeigt er hohen Unterhaltungswert. Ein Blick in die Geschichtsbücher.
Der Floh beschäftigt die Naturwissenschaften genauso wie die Literatur und die Kunst. Der skurrile Teil der Kulturgeschichte von Mensch und Floh lässt sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Verblüfft stellt man fest, dass der Floh sich eine eigene Literaturgattung erobert hat. Die Flohliteratur ist mit ihren Motiven und Absichten ursprünglich ein Kind des späten Humanismus. Aus dem Spannungsverhältnis zwischen der Existenz als lästiger Parasit und einer fiktiven Rolle als Gelehrter oder Rebell entstand ein humoristisch satirischer Charakter. „Der Floh ärgert den Löwen mehr als der Löwe den Floh“ oder „Magere Flöhe beißen scharf.“ Der Floh als Metapher für die Rebellion.
Auch als Liebesbote erfreute sich der Floh großer Beliebtheit und die Dichter wurden nicht müde sich vorzustellen, wie ein Floh am Körper ihrer Angebeteten herumkrabbeln zu können. In Frankreich schrieben Kavaliere einen Lobhymnus auf den Floh und seine schöne Trägerin. Angeblich sollen Liebhaber einen ihren Schönen abgefangenen Floh an ein goldenes Kettchen befestigt und in einem verschließbaren Medaillon am Hals getragen haben. Der Floh musste täglich aus seinem Gefängnis herausgenommen und auf dem Arm gefüttert werden. Später begannen auch Damen, einen am Goldfaden angeketteten Floh zu tragen.
Gefangen wurde der Floh mit Hilfe einer Flohfalle. Es handelte sich um einen außen durchlöcherten hohlen Zylinder, eine Kugel oder ein Ei, das durch eine mit Blut getränkte Watte die Flöhe anlockte, die nach ihrer Blutmahlzeit durch die engen Löcher nicht mehr nach außen kriechen konnte. In der höfischen Kultur des Rokoko wählten die Damenwelt alternativ auch Pflaster im Format hüpfender Flöhe („puce“) , das im Dekolleté der Damen aufgeklebt wurde. Ansonsten war flohfarbene Schminke in unterschiedlichen Farbnuancen am französischen Hof zwischen 1775 und 1782 angesagt.
Unabhängig von Schmuck, Schminke und Poesie lassen sich die Anfänge des Flohzirkus in England verorten. Dort hatte man im 16. Jahrhundert begonnen, angekettete Flöhe vorzuführen, so der Zeitzeuge und Naturforscher Thomas Mouffet. Die filigrane „Kette“ bestand aus elf Metallösen und einem Schloss. Das Vorführen eines Flohs in einem „Flohglas“ ermöglichte bessere Sicht auf die kleinen Kraftpakete. So erzählt August Ferdinand von Kotzebue (1761- 1819), der einst in Duisburg studierte, von einem Matrosen, den er in Paris - jedenfalls vor 1798 - gesehen hat, der im Mikroskop Flöhe zeigte. Das Mikroskop nannte man im 18. Jahrhundert noch „Flohglas“.
Zu Anfang des 19. Jahrhunderts werden Nachrichten über den Flohzirkus häufiger und genauer. 1843 gründete Roloff Otava den ersten deutschen Flohzirkus. Auf den Plakaten waren Kutschwagen, Karusselle und Ballerina-Kostüme zu sehen. Auf dem Münchner Oktoberfest 1898 führte Roloff Otava seinen Flohzirkus der Königin Viktoria von England vor. Auch Papst Leo XIII. und Kaiser Wilhelm II. bewunderten Roloffs Flohvorführungen. 1948 übergab Otava den Flohzirkus seinem Großneffen. Fünf Jahre später (1953) machte dieser Flohzirkus auf dem Duisburger Bischofsplatz in Neudorf Station.
Robert Birk, der heutige Zirkusdirektor, übernahm das Traditionsunternehmen im Jahr 2008. Er geht mit seinem „Europas ältester heute noch existierender Flohzirkus“ auf Reisen und wird 2023 wieder auf dem Oktoberfest seine Artisten bzw. Artistinnen präsentieren. Alles echt – ohne Fake und Druckluft. Die Flöhe brauchen Wärme und das Blut des Zirkusdirektors, um Höchstleistungen zu zeigen. „Im Flohzirkus arbeiten nur Weibchen, weil sie größer und stärker sind. Der Floh, der die Dunkelheit liebt, muss auf der hellen Bühne seine Aufgabe solange versuchen, bis es klappt. Dann darf er zurück ins Dunkle. Und irgendwann ist er drauf konditioniert und weiß, wenn er es schnell richtig macht, dann kommt er schnell wieder ins Dunkle“, sagt Flohzirkusdirektor Robert Birk. Die Kunststücke seiner kleinen Kraftpakete kann man voraussichtlich vom 3. bis 5. März auf dem Historischen Jahrmarkt in der Bochumer Jahrhunderthalle bewundern.
Zum Weiterlesen: Herbert Weidner, „Der Flohzirkus und seine vierhundertjährige poesiereiche Geschichte“.
Website Flohzirkus Robert Birk: http://www.flohzirkus-birk.de