Duisburger Geschichten und Geschichte Ein weißer Sklave macht Karriere

Duisburg · Hark Olufs stieg nach seiner Konversion zum Islam bis zum Kavalleriekommandeur des Beys von Constantine auf.

 Pierre Dan, Historie van Barbaryen; »Barbarische Galeeren«

Pierre Dan, Historie van Barbaryen; »Barbarische Galeeren«

Foto: Mario Klarer

Mercators Kupferstichkarte „Atlas Minor“ aus dem Jahr 1607 zeigt Nordafrika mit der Region “Barbaria”. Die Barbarenküste war über Jahrhunderte wegen ihrer brutalen Sklavenjäger berüchtigt. Die nordafrikanischen Korsaren machten nicht nur im Mittelmeer gezielt Jagd auf europäische Handelsschiffe, sondern erweiterten ihr Aktionsfeld bis in den Atlantik und die Nordsee.

Einheimische der Nordseeinsel Amrun erzählen noch heute gern den Duisburger Touristen die abenteuerliche Geschichte des jungen Matrosen Hark Olufs. Die Geschichte ist historisch belegt und begann im Jahr 1724. Damals kaperten Korsaren in osmanischen Diensten im Ärmelkanal die Dreimastbark „Hoffnung“ und nahmen die gesamte Besatzung in Gefangenschaft – darunter der junge Matrose Hark aus Amrun. Das geforderte hohe Lösegeld für die Freilassung der Matrosen konnte die Familie nicht zahlen und die Hoffnung, dass die bestehende Sklavenkasse einspringe und die Gefangenen freikaufe, erfüllte sich nicht. Das Schiff aus dem damals dänischen Amrun fuhr nämlich unter Hamburger Flagge.

Sowohl die dänische als auch die Hamburger Versicherung waren im Zuständigkeitsstreit nicht bereit, das hohe Lösegeld zu zahlen. Ein Leben in Ketten drohte. Der junge Mann wurde anschließend auf dem Sklavenmarkt in Algier verkauft. Sein Käufer war ein Großhändler, der Sklaven weiter vermittelte.  Der junge Amrumer hatte im Gegensatz zu anderen Sklaven „Glück“ und wurde Diener des Beys Assin, Herrscher der algerischen Stadt Constantine. Mit viel Energie und Eifer lernte Hark Olufs schnell Arabisch und Französisch. 

Trotz aller widrigen Umstände ergriff er die Chance zu einer bemerkenswerten Karriere, die ihn binnen weniger Jahre zum Schatzmeister des Beys und zum militärischen Oberbefehlshaber aufsteigen ließ. Olufs konvertierte zum Islam, denn nur auf diesem Wege standen ihm alle Wege offen. Die Begleitung seines Herrn auf eine Pilgerfahrt nach Mekka zeigte den Anpassungsdruck, dem er sich ausgeliefert sah. Gerade 20 Jahre alt führte er Kriege und bewährte sich als mutiger Krieger in einer Schlacht gegen den verfeindeten Bey von Tunis. 1735 war er an der Eroberung der Stadt Tunis beteiligt und erwarb damit Ruhm und Ehre. Der hochbetagte Herrscher Assin schenkte ihm aus Dankbarkeit die Freiheit. 

Nach zwölf Jahren segelte Hark Olufs mit «Kleidern aus  reinster Seide» und «reichlich barem Gold» nach Hause. Sein Reichtum ist bis heute auf der Insel legendär. Hark Olufs starb 1754 unerwartet im Alter von 46 Jahren. Sein Grabstein, auf dem seine Lebensgeschichte erzählt wird, ist ein vielbesuchtes Kulturdenkmal auf Amrum.

Aber es bleibt ein Ausnahmeschicksal – denn die meisten der entführten Europäer verschwanden auf den Sklavenmärkten im Maghreb. Christen wurden als Steinbrucharbeiter verkauft oder mussten angekettet auf den Galeeren rudern. Frauen dienten im Haushalt und Harem islamischer Herren.   Am stärksten waren die Menschen an den Küsten des Mittelmeers von den Übergriffen der Korsaren betroffen, aber die Kaperfahrten führten auch in den Norden Europas. Selbst Entführungen von Küstenbewohnern kamen vor. Im Gegensatz zu Piraten handelten Korsaren mit Zustimmung und manchmal sogar im staatlichen Auftrag. Zum Schutz von Ladung und Besatzung schlossen Engländer und Niederländer zeitweise völkerrechtliche Verträge („Türkenpass“) mit den Barbareskenstaaten ab, in denen man sich – gegen Zahlung einer hohen Geldsumme – von den Korsarenüberfällen freikaufte.

Hochrechnungen des Historikers Robert C. Davis  gehen davon aus, dass zwischen 1500 und 1800 über eine Million weißer Europäer in den muslimischen Stadtstaaten versklavt wurden. Mit massivem Militäreinsatz der USA und der europäischen Seemächte wurde das „Geschäftsmodell der Freibeuterei“ zu Beginn des 19. Jahrhunderts beendet.

Zur Vertiefung: Prof. Dr. Mario Klarer (HG.), Verschleppt, Verkauft, Versklavt: Deutschsprachige Sklavenberichte aus Nordafrika (1550-1800), Wien 2019, Böhlau Verlag

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort