Duisburger Geschichten und Geschichte Vor 75 Jahren: Der britische Bombenangriff über Duisburg

Duisburg · Etwa 3000 Zivilisten kamen 1944 bei der „Operation Hurricane“ der Briten in Duisburg um.

 Ein zerstörtes Wohngebäude am Schuirkamp in Beeck. Ein Bild aus dem Jahr 1942.

Ein zerstörtes Wohngebäude am Schuirkamp in Beeck. Ein Bild aus dem Jahr 1942.

Foto: Stadtarchiv

Insbesondere Archivbilder und Zeitzeugenberichte lassen die Hölle des Luftkrieges  und die Vernichtung der Stadt vor 75 Jahren erahnen:  Die Angst der Menschen  im Luftschutzkeller zu verbrennen, verschüttet zu werden oder zu ersticken. Die Bergung verkohlter Leichen aus Trümmerberbergen. Das Aufatmen, dem Glutofen brennender Häuser entkommen zu sein. Herabstürzende Balken erschlugen, zusammenbrechende Mauern zerquetschten die hilflosen Menschen, der Luftdruck der Explosionen sprengte ihre Lunge und die inneren Organe. Der Tod, der aus dem Himmel über Duisburg kam, traf viele Wehrlose, vor allem Frauen, Kleinkinder, alte Menschen und Zwangsarbeiter. Zurück blieb eine Ruinenlandschaft. Menschen suchten nach Verschütteten und fanden oft grässlich entstellte Leichen.

Die Erinnerungen an den Großangriff britischer Bomber auf Duisburg am 14. und 15. Oktober 1944 waren für viele Zeitzeugen mit Traumata verbunden, die es schwer machten, darüber zu sprechen. Es fällt schwer, die Opferzahl von etwa 3000 Duisburgern und das „Moral bombing“, wie die Briten die Angriffe nannten, einer Bewertung und lokalhistorischen Einordnung zu unterziehen. Allzu leicht gerät der Blick auf Täter und Opfer in ein ideologisches Fahrwasser  mehrdeutiger Legitimationen und Aufrechnungen von Bomberlast und Opferzahlen.

Rückblende: Am 4. September 1940 hatte Hitler den Engländern gedroht: „Wir werden ihre Städte ausradieren.“  Gut zwei Monate später, am 14. November 1940, legte die deutsche Luftwaffe die englische Stadt Coventry in Schutt und Asche. Der „Blitz“, so nannten die Engländer die Angriffe der deutschen Luftwaffe auf weitere britische Städte, rief Rache und Vergeltung hervor. Die Gewaltspirale drehte sich von Jahr zu Jahr , von Monat zu Monat, immer schneller. Bereits 1941 gewannen die alliierten Luftstreitkräfte ein dramatisches Übergewicht.  Sir Arthur „Bomber“ Harris , der verantwortliche Leiter der Vergeltungsstrategie aus der Luft, setzte sich mit der „Moral bombing“ Strategie durch. Churchill gab ihm Rückendeckung.  Mit der Bombardierung sollte die deutsche Zivilbevölkerung demoralisiert werden. Eine um die andere deutsche Stadt wurde in Schutt und Asche gelegt. Die Bombenlast (1,3 Mio. Tonnen) der Royal Air Force, die von 1940 bis 1945 auf deutsche Städte niederging, betrug das 18fache der Bombenlast, die von der deutschen Luftwaffe auf England abgeworfen wurde.

Duisburg wurde 311 Mal angegriffen. Im Juli 1942 folgten drei Großangriffe im Zweitagesabstand und am 13. und 14. Oktober 1944 sahen die Planungen von „Bomber“  Harris vor, Duisburg „auszulöschen“. Die Stadt befand sich im Präzisionsradius des Funknavigationssystems von OBOE (Observer Bombing Over Enemy); das versprach eine hohe Trefferquote. Wohn – und Industriegebiete waren exakt kartographiert.

Die Stadt Duisburg gehörte mit ihrem Binnenhafen, dem zweitgrößten Verschiebebahnhof, der Stahlindustrie und den Zechen zu den militärisch bedeutsamen Industriestädten. Doch der geplante Bombenhagel konzentrierte sich schwerpunktmäßig auf dichtbesiedelte Wohngebiete Duisburgs. Wie von einem gewaltigen Hurrikan wurde Duisburg niedergeworfen, so Jörg Friedrich in seinem Buch „Der Brand“.

Die „Operation Hurricane“ begann am 13. Oktober – Samstagvormittag um 8.45 Uhr. 1063 britische Maschinen der Typen Lancaster, Halifax und Mosquito  warfen insgesamt 3574 Tonnen Spreng- und 820 Tonnen Brandbomben ab. „Duisburg wiped out by 4500 Tons“ lautete die Überschrift der britischen Zeitung „People“ am 15. Oktober 1944. „Größter Blitz auf Deutschland – Duisburg durch 4500 Tonnen ausradiert.“ In der Nacht folgten ein zweiter und dritter Angriff. An beiden Tagen fielen insgesamt 9000 Tonnen. Die Zerstörungen in den Wohngebieten waren gewaltig. Die Auswirkungen der Luftangriffe auf die industrielle Produktion waren dagegen vergleichsweise gering. Den Blutzoll entrichtete die Duisburger Zivilbevölkerung mit 3000 Toten und 1000 zum Teil Schwerverwundeten. Darunter auch Zwangsarbeiter. Das inoffizielle Ziel der alliierten Luftangriffe, die Deutschen zu einem Aufstand gegen Hitler zu bewegen, wurde nicht erreicht. Überlebenswille und Angst vor weiteren Angriffen bestimmten den Alltag vieler Duisburger. Die Bewertung und lokalhistorische Einordnung der Ereignisse wurde lange verdrängt. Trauer hilft – Opferkult und Stigmatisierung sind dagegen der falsche Weg. Eine reinigende Debatte muss sich offen und kritisch der Vergangenheit stellen. Dadurch entsteht ein anderes  Verhältnis zu ihr, aber auch der Beweis, dass  alte Feindbilder durch Partnerschaft überwunden werden können.

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