Duisburger Geschichten und Geschichte Vor 100 Jahren herrschte Bürgerkriegsstimmung

Duisburg · Der Kapp-Putsch, Generalstreik und blutige Auseinandersetzungen brachten vor 100 Jahren die junge Demokratie an ihre Belastungsgrenzen. Duisburg befand sich im Jahre 1920 im Krisenmodus.

 Oben links: Duisburger Einwohnerwehr; unten links: Kämpfer der „Roten Ruhr Armee“; rechts: Reichswehr vor dem Rathaus, Ende des blutigen Aufstands 3. April 1920. 

Oben links: Duisburger Einwohnerwehr; unten links: Kämpfer der „Roten Ruhr Armee“; rechts: Reichswehr vor dem Rathaus, Ende des blutigen Aufstands 3. April 1920. 

Foto: Stadtarchiv

Die Covid-19 Krise bestimmt die aktuellen Schlagzeilen. Dramatische Ereignisse vor 100 Jahren geraten dabei zwangsläufig in den Hintergrund. Kapp-Putsch, Generalstreik und „Rote Armee“ sind im kollektiven Gedächtnis oft nicht mehr präsent.

Rückblick ins Jahr 1920: Es herrschte eine angespannte Stimmung in der Stadt. Nach dem Versailler Vertrag musste die Reichsregierung 200.000 Freikorps-Soldaten, Veteranen des Ersten Weltkriegs entlassen, darunter zahlreiche Offiziere. Dies stürzte die junge Republik in eine ihrer schwersten Krisen. Da schlug die Nachricht vom 13. März wie eine Bombe ein: „Die deutsche Republik ist in Gefahr“. Mit einem Militärputsch versuchte der rechtsradikale Politiker Wolfgang Kapp und Reichswehr-General Walther von Lüttwitz, die Regierungsmacht zu übernehmen. Aus Protest gegen die rechtsradikalen Putschisten wurde das Deutsche Reich ab dem 15. März 1920 von der größten Streikbewegung seiner Geschichte erfasst. Die Bandbreite der streikenden Arbeiterorganisationen war höchst unterschiedlich, aber der Putsch vereinte die unterschiedlichen Strömungen. Sozialdemokraten, Unabhängige und Kommunisten unterstützten die Streikenden. Der rechtsliberale Oberbürgermeister Jarres und die Stadtspitze standen ebenfalls auf Seiten der demokratischen Regierung in Berlin. Vor dem Duisburger Rathaus gab es vor 100 Jahren tumultartige Szenen. In der aufgeheizten Situation kam es zwischen „Einwohnerwehr“, die im Verdacht stand mit den Putschisten  zu sympathisieren,  und Demonstranten vor dem Rathaus zu Schüssen, Toten und Verwundeten. Es herrschte Bürgerkriegsstimmung. Die Nachricht am 17. März aus Berlin, dass der Putsch gescheitert und Kapp nach Schweden geflohen sei, führte zumindest kurzfristig zu einer Beruhigung der Lage: Die örtlichen Arbeiterorganisationen empfahlen die Wiederaufnahme der Arbeit, aber die Hoffnung auf Ruhe und Ordnung erfüllte sich nicht.

Arbeiter, die sich in der 50.000 Mann starken „Ruhrarmee“ organisiert hatten, wollten den bewaffneten Kampf fortsetzen. Die Rhein-Ruhr-Zeitung schrieb, dies sei die „Diktatur des Proletariats“. Am 23. März brachte die Rote Ruhrarmee Duisburg und Hamborn in ihre Gewalt. Um dem Chaos und der Verhaftung zu entgehen, setzte sich die Verwaltungsspitze nach Ruhrort ab, wo die Belgier einen Brückenkopf unterhielten. Am 27. März erklärte man Oberbürgermeister Dr. Jarres für abgesetzt, da er sich weigerte, Lohnanweisungen für die Revolutionäre auszustellen. Die Berliner Regierung versuchte derweil, die Ruhrarbeiter nach Ende des Kapp-Putsches mit Zugeständnissen zur Niederlegung der Waffen zu bewegen. Weitergehende Forderungen der Arbeiterschaft (Bestrafung der Putschisten, Demokratisierung der Verwaltung, Sozialisierung des Bergbaus) wurden angenommen, aber nicht umgesetzt.

Die Fronten verhärteten sich mehr und mehr. In Duisburg forderte Oberbürgermeister Jarres das Militär an.  Die Regierung ließ Truppen ins Ruhrgebiet einmarschieren – darunter auch Freikorps, die Tage zuvor noch  den Putsch gegen die Republik mitgetragen hatte. Die Freikorps wollten Rache und sie bekamen dafür von der durch Arbeiter geretteten Regierung alle Macht in die Hand. Der Hass auf beiden Seiten  entlud sich. Die Reichswehr ging mit brutaler Härte gegen die Aufständischen  vor. Viele Arbeiter  wurden erst nach der Gefangennahme hingerichtet.

Die furchtbaren Kämpfe endeten in Duisburg  am 3. April 1920 (Karsamstag)  mit der Besetzung des Stadtzentrums durch die Reichswehr. Damals wurde durch einen Minenwerfer der einrückenden Reichswehr der Rathausturm stark beschädigt. Neben den materiellem und psychologischen waren die politischen Auswirkungen der Märzkämpfe 1920 vielfältig und nachhaltig. Die Herausbildung rechter und linker politischer Lager war die Folge.   Und wie wirkten sich die März-Ereignisse auf die erste Reichstagswahl der Weimarer Republik im Juni 1920 aus? Die bürgerlichen Wähler gingen nach rechts, die Arbeiter nach links (USPD und KPD). Zurück blieb eine gespaltene Gesellschaft.  Die Stadt blieb in den folgenden Jahren im Krisenmodus:  Hyperinflation und Ruhrbesetzung brachten die Duisburger an ihre Belastungsgrenzen.

Quelle, Geschichte Deutschlands, Ulrich Herbert und Geschichte der Stadt Duisburg, Günter  von Roden.

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