Geschichts-Serie Kleine Duisburger Bier-Geschichte

Duisburg · Das Bierbrauen hatte auch schon vor Theodor Königs Großbrauerei in Duisburg Tradition. Sogenannte Grut-Kräuter wurden einst zum Würzen des Gerstensafts benutzt. Weibliche Brauer nannte man „Grutersche“.

                                                                   Bierveredler: Der Hopfen löste die Grut ab und sorgt mit seinen Aroma- und Bitterstoffen für den feinherben Biergeschmack.

Bierveredler: Der Hopfen löste die Grut ab und sorgt mit seinen Aroma- und Bitterstoffen für den feinherben Biergeschmack.

Foto: Zeitlupe 2008, KSM

In einer „Wundergeschichte“ des mittelalterlichen Erzählers Heisterbach geht es um eine Frau, die am Eingang ihres Hauses Maßgefäße mit Grutbier aufstellte, um eine Feuersbrunst zu stoppen. Sie versprach in ihrem Gebet, wenn sie mit den Maßgefäßen je einen Menschen betrogen habe, so solle ihr Haus verbrennen, wenn nicht, so möge Gott sie und ihre Habe schützen. Tatsächlich wurde ihr Haus von der Feuerbrunst verschont. Neben dem Wunderglauben beweist die Geschichte, dass Bierbrauen und Ausschank auch von frommen Frauen ausgeübt wurde. Dokumente belegen das. So wurde im Kloster der Zisterzienserinnen in Duissern bereits vor 700 Jahren Grutbier gebraut. Die Grut gab dem Bier ein fruchtig-würziges Aroma und bestand aus Myrtenheide, Enzian, Wacholder oder Lorbeer, aber auch Muskat oder Nelken dienten als Geschmacksverstärker. Konserviert wurde Bierwürze durch eine Kleie aus Dinkel und Hafer. Die Stadt hatte ein Monopol und bezog die Grut vor allem aus dem niederländischen Deventer und Zwolle. Die Grutsteuern waren neben der Weinakzise ein wichtiger Einnahmeposten der Stadt Duisburg. Dem Grutbier erwuchs um 1375 in dem Hopfenbier ein starker Konkurrent. Der Hopfen hatte eine bessere konservierende Wirkung, eine Eigenschaft, die vorteilhaft für den Handel war.

Im 16. Jahrhundert setzte sich das „Hopfenbier“ dann großflächig durch. Das „Hopfenzeitalter“ begann. Hinsichtlich der für die christlichen deutschen Lande wichtigen Fasten- und Adventszeit durfte zur Stärkung der Bürger ein alkoholhaltigeres Bier gebraut werden. Das Motto lautete: „Was flüssig ist, bricht kein Fasten.“ Nach der Salvatorprozession erhielten die Stadtkompanien der vier Stadtteile je eine Tonne Bier vom Rat der Stadt. Die Beliebtheit des Bieres bei der Duisburger Bevölkerung war hoch. Tauf- und Begräbnisfeierlichkeiten, Schützenfeste, Hochzeiten, der Frühschoppen nach dem Kirchgang, der Eintritt in die Bruderschaft der Handwerke  und weitere kreative Anlässe förderten den gewaltigen Bierkonsum der Duisburger.

Mit dem Vordringen der Reformation erhielt der ungezügelte Bierkonsum einen ordentlichen Dämpfer. Das geht aus einer Verordnung im 16. Jahrhundert hervor. Die bierseligen Feierlichkeiten wurden massiv eingeschränkt. Der Besuch von Wirtschaften bei Trauerfeierlichkeiten wurde verboten. Der calvinistisch orientierte Rat der Stadt erwies sich als Spaßbremse. Hoher Bierkonsum wurde von den Moralwächtern scharf verurteilt. Bis heute hält sich die Kontroverse um Mäßigung und Verzicht. Doch das Image von Bier und Wein als wohltuende alkoholische Getränke war schon immer den Schwankungen des Zeitgeistes unterworfen. Im Zuge der Industrialisierung entdeckten die Arbeiter das Bier als „Sozialdemokratischen Saft“. Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Duisburg ausschließlich obergäriges Bier, also Altbier, gebraut. Obergärige Hefe verlangt eine Gärung bei warmen Temperaturen, wohingegen untergärige Hefe, die zum Beispiel für Pils verwendet wird, nur bei kühleren Temperaturen in Aktion tritt. Pils konnte man erst mit dem Fortschreiten der Kühltechnik brauen.

Im Zuge der Industrialisierung entstand in Duisburg eine Vielfalt an Brauereien. Ältere Duisburger erinnern sich an Namen wie Bodden, Schützenburg, Nationalbrauerei, Böllert, Werth, Rheingold und den Platzhirsch Theodor König. Damals war der Bierkonsum pro Kopf deutlich höher. Bis heute ist der Preis für einen Kasten Bier einer der wenigen Preise, die Männer überhaupt kennen

. Das Image der Massenware hat durch Rabattschlachten gelitten. Die Craft-Bier-Szene hält dagegen und bietet „werthaltiges Bier“ an. Das Reinheitsgebot von 1517 wird in der experimentierfreudigen Branche eher als Hemmschuh für kreative Geschmacksinnovationen betrachtet. Bier sei ein wertvolles Kulturgut und Qualität habe ihren Preis, so die Marketingstrategen. Der Trend geht zur „Wertigkeit“. Gerne mit Bio-Touch. Auch im Bier steckt der Zeitgeist.

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