RP-Serie Duisburger Geschichte und Geschichten Schamanen auf Grönland
Duisburg · Donald Trump und die Macht der Geister. Die Suche nach Bodenschätzen und die Ausblendung von Umweltrisiken.
Zeitungsberichte, wonach der US-Präsident mit einem Erwerb Grönlands liebäugeln soll, haben die „größte Tiefkühltruhe der nördlichen Hemisphäre“ in den Mittelpunkt der Nachrichten gerückt. Und je länger man sich mit dem dahinterliegenden Raubbau an Ressourcen durch die Großmächte befasst, desto verständlicher wird, dass Grönland schon seit dem 16. Jahrhundert Abenteurer und Entdecker anlockte.
Gerhard Mercator beschrieb die Grönlandbewohner in seinem kartographischen Werk als Pygmäen (Screlinger). In vielen Reisebeschreibungen der Folgezeit finden sich aus heutiger Sicht rassistische Inuit-Darstellungen von Wilden, Heiden und Kannibalen. Im 18. Jahrhundert wurden die meisten Inuit zum protestantischen Christentum bekehrt.
Früher lebten die Inuit als spezialisierte Jäger und Fischer von Robben, Walen, Rentiere und Fischen im Einklang mit der Natur. In der alten Kultur der Inuit spielte der Schamanismus eine große Rolle. Er wies je nach Region vielfältige Differenzierungen auf. Der alte Inuitglaube, der viel mit Amuletten, Geistern, und Schamanismus zu tun hatte, dient heute auch der Traditionspflege. In der Mythologie grönländischer Inuit herrschte der Glaube, dass die Menschen von Geistern umgeben sind, die uns beeinflussen und unser Schicksal lenken. Die bösen Geister setzten ihre fatalen magischen Kräfte dazu ein, Tod, Klimawandel, schlechte Jagd oder Erkrankungen hervorzurufen. Nur der Schamane konnte Tabubrüche erkennen, den Schadenzauber bekämpfen, feindlichen Geister entgegentreten und die verloren geglaubte Balance der Lebensumwelt wieder herstellen.
Oft nur für Touristen, aber auch zur eigenen Identitätssuche und -findung erlebte das Schamanentum eine Renaissance. Der Schamane nutzte unter anderem, das Instrument des Tubilaks für die Ausübung von weißer und schwarzer Magie. Das aus Tier- und Leichenteilen zusammensetzte Monster wurde durch geheime Zeremonien zum Leben erweckt und ausgesandt, um anderen gezielt Schaden zuzufügen.
Dazu musste der Tupilak dem Feind überall hin folgen und sich in allen Elementen gut bewegen können. Dementsprechend wird berichtet, der Tupilak habe ursprünglich aus einem Lederbeutel bestanden, in den verschiedene Gegenstände mit Symbolcharakter gelegt wurden, zum Beispiel Vogelfedern als Symbol für Luft, Eisbärenkrallen für Land und ein Pottwalzahn für Wasser. Der Widerpart vermochte deshalb den unsichtbaren Mächten gegenüber kaum Gegenwehr leisten, es sei denn, er verfügte über einen stärkeren Tupilak, der einen Gegenschlag ausführen konnte. Zentrale Bedeutung hatte die Wiederherstellung der Balance mit der Umwelt.
Was auf den ersten Blick als gruseliger Aberglauben erscheint, vermittelt bei längerem Nachdenken neue Einsichten. Die „zivilisierten Kulturmenschen“ vergessen im Gegensatz zu den indigenen Völkern, dass sie nur ein Teil eines ökologischen Netzwerkes sind. Der Schamanenglaube sieht die gesamte Gesellschaft im Einklang mit der Natur. Der Raubbau an den Ressourcen des Planeten wird dagegen von den „zivilisierten“ Investoren ignoriert. Das ressourcenfressende und alles vernichtende Monster sind wir selbst. Ob schamanische Zeremonien dem Tupilak aus den USA oder China Einhalt gebieten können, erscheint nach den Erfahrungen als ein hoffnungsloses Unterfangen. Die aktuellen Nachrichten über das Trump-Angebot spiegeln vielmehr den rücksichtslosen Kampf zwischen den Großmächten wider, wer die Rechte in der Arktis bekommt. Die Insel ist reich an Bodenschätzen wie Zink, Öl oder Gas. Die Inuit, ihre Kultur sowie die Umwelt spielen dabei keine Rolle.