Duisburger Geschichte und Geschichten Kaufhaus-Architekt flieht vor den Nazis

Duisburg · Erich Mendelsohns Architektur in Duisburg zeigte Aufbruch und Dynamik. Die NS-Zeit zwang ihn zur Emigration.

 Am Ort des heutigen Knüllermarkts auf der Münzstraße befand sich in den 20er Jahren das traditionsreiche Kaufhaus „Cohen & Epstein”.

Am Ort des heutigen Knüllermarkts auf der Münzstraße befand sich in den 20er Jahren das traditionsreiche Kaufhaus „Cohen & Epstein”.

Foto: Stadtarchiv

Am Ort des heutigen Knüllermarkts auf der Münzstraße befand sich in den 20er Jahren das beliebte und traditionsreiche Kaufhaus „Cohen & Epstein”. Wer Duisburg damals besuchte, erlebte eine geschäftige Großstadt. Der Krieg lag fast ein Jahrzehnt zurück, und die Menschen hofften, dass sich der beginnende Wirtschaftsaufschwung verstetigen würde. Kaufhäuser und Kinos erfreuten sich großer Beliebtheit. Die Grundstimmung bei den Investoren war optimistisch.

In dieser Zeit gehörte Erich Mendelsohn zum meistbeschäftigten Architekten des Landes. Der Einsteinturm in Potsdam, das Mossehaus in Berlin und viele andere Bauten sind Teil der deutschen Architekturgeschichte. Die Duisburger Investoren und Kaufhausbesitzer Cohen & Epstein beauftragten den jüdischen Stararchitekten mit der Erweiterung und dem Umbau ihres gut gehenden Kaufhauses auf der Münz-, Ecke Beekstraße. Die grundlegende Modernisierung des Stammhauses erfolgte von 1925 bis 1927. Die alten Bilder dieser Kaufhausfassade beeindrucken noch heute.   Die auskragenden Rundungen wurden zu einem unverwechselbaren Markenzeichen Mendelsohns. Bei den Duisburgern war das neue Kaufhaus sehr beliebt – bis die Nationalsozialisten kamen. Unter dem Druck der Verfolgung mussten die jüdischen Besitzer das Haus an einen „arischen” Käufer verkaufen, den 39-jährigen Jungunternehmer Franz Fahning.

 Das Treppenhaus im De-la-Warr-Pavillon in Bexhill on Sea.

Das Treppenhaus im De-la-Warr-Pavillon in Bexhill on Sea.

Foto: Harald Küst

Neben Epstein geriet auch der in Berlin lebende Erich Mendelsohn ins Visier der Nazis. Neid und Missgunst auf dessen Prachtvilla nahe der Heerstraße in Berlin dienten als Brandbeschleuniger für Ausgrenzung und Diskriminierung. Schon zum Wettbewerb für die neue Reichsbank wurde er nicht mehr eingeladen. Am 30. September 1933 wurde er aus dem Deutschen Werkbund und am 11. Dezember aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen. Später beschlagnahmten die Nationalsozialisten  sein nicht unbeträchtliches Vermögen. Mendelsohn floh mit seiner Frau Luise vor dem NS-Regime über die Niederlande nach England.

In Südengland (Sussex)  begann ein schwieriger, aber stilbildender Neustart. In Bexhill-on-Sea schuf Mendelsohn 1934 mit dem De-la-Warr-Pavillon ein Gesamtkunstwerk. Der Kontrast zwischen der Duisburger Kaufhausfassade und dem De-la-Warr-Pavillon spiegelt die Zäsur in der Biographie Mendelsohns wider.

Die Duisburger Portsmouth-Freunde begaben sich in Bexhill auf Spurensuche nach dem großen Architekten. Jürgen Hordt, Leiter der Delegation: „Mit der spiralförmigen Treppenkonstruktion begibt sich der Besucher in ein Raum-Zeit-System. Die Bewegung zwischen Innen- und Außenwelt wird deutlich. Der Blick auf die Spiralfunktion der Treppe in Verbindung mit der Lampenanordnung erzeugen eine starke Dynamik.“ Diese stilbildenden Komponenten seiner Architektur stehen für den Aufbruch in eine neue Zeit.

Erich Mendelsohn war seit seinen Studententagen aktiver, aber auch kritischer Zionist. Bald verließ er England, ging nach Palästina und baute dort Villen, u.a. für Chaim Weizmann, dem späteren ersten Staatspräsidenten Israels, aber auch Krankenhäuser, Universitäten. Wieder fällt auf, dass er seine Architekturentwürfe dem neuen Umfeld anpasst. Mendelsohn  Briefe an seine Frau Luise geben einen gedankenvollen Einblick in die Ideenwelt und die Arbeitsweise des Architekten sowie in das Leben emigrierter deutscher Juden in England, dem Britischen Mandatsgebiet Palästina und den USA.

Erich Mendelsohn starb 1953 in San Franzisco. Deutschen Boden betrat er nie wieder. Das Unrecht konnte er nicht vergessen.

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