Geschichtsserie Kartenmalerei schlägt Vermessung

Duisburg · Die kuriose Geschichte einer Grenzvermessung und einer gefällten Birke. Gerhard Mercators Vermessungskunst fand bei Grenzkonflikten keine Akzeptanz. Sohn Arnold kombinierte Katastermessungen mit Bildern.

 Um 1570 enstand diese Katastermessung Arnold Mercators. Dem Zeitgeist entsprechend versah er sie mit einer Zeichnung, da seine Zeitgenossen Landschaftsmalerei eher vertrauten als der Mathematik.

Um 1570 enstand diese Katastermessung Arnold Mercators. Dem Zeitgeist entsprechend versah er sie mit einer Zeichnung, da seine Zeitgenossen Landschaftsmalerei eher vertrauten als der Mathematik.

Foto: Harald Küst

Grenzziehungen sind oft strittig, weil es um Machtverhältnisse geht. Das lässt sich über die gesamte Menschheitsgeschichte verfolgen. Im 16. Jahrhundert kam es zum Streit zwischen dem Erzbistum Köln und dem Herzogtum Jülich-Kleve-Berg. Der Streit sollte mit einem Vergleich über die Besitzverhältnisse beendet werden. Der Jülich-klevisch-bergische Kanzler Bars machte sich bei der Auftragsvergabe für Gerhard Mercator stark. Die althergebrachten Methoden der Grenzbegehung und Zeugenaussagen  sollten erstmalig durch Daten der Vermessungstechnik dokumentiert werden. Herzog Wilhelm V. stimmte zu. Fern von Duisburg, fern der Familie machte sich Mercator in dem unübersichtlichen Wald- und Berggelände im Ebbe- und Rothaargebirge und der schwierigen Gemengelage der Obrigkeiten an die mühevolle Arbeit. Zusammen mit den örtlichen Beamten nahm er hoch zu Ross die Grenzbegehungen vor. Die Gelände- und Grenzbeschreibungen mit topographischen Merkmalen dokumentierte er sorgfältig und objektiv. Dann fertigte er Skizzen von Bäumen und Bergkuppen an und nahm mit Hilfe eines Stativs und Messtischblättern die notwendigen Messungen vor. Mit Hilfe der Triangulation zeichnete er Karten nach kartographischen Qualitätsmaßstäben. Linien markierten den Grenzverlauf.

Am 15. Juli 1561 war es soweit. Die Unterhändler beider Seiten trafen sich in Drolshagen (bei Olpe). Auch Mercator war zur Stelle. Die kölnische Gegenpartei hatte einen mathematisch unbedarften Landschaftsmaler mit der Zeichnung des Grenzverlaufs mitgebracht. Die klevisch-märkischen Unterhändler sahen sich mit ihrer Mercatorkarte schon als Verhandlungssieger, aber die Kölner ließen sich nicht überrumpeln. Sie nahmen eine von Mercator eingezeichnete Birke zum Vorwand, der gesamten Arbeit des großen Kartographen jeglichen Wert abzusprechen. Tatsächlich war die Birke inzwischen gefällt worden. Die Kölner forderten, dass der Grenzvergleich in „althergebrachter Weise“ durch Befragungen vorbereitet werden müsste. Einen Maler, der die Gegebenheiten in einem deutlich an der Natur zu messenden Bild festhielt, konnte man akzeptieren – nicht aber die auf Vermessungsdaten beruhenden Karten Mercators. Herzog Wilhelm V. gab dieser kölnischen Forderung nach. Damit war Mercators Arbeit überflüssig geworden. Wilhelm V. verpasste damit die Chance, durch exakt vermessene Grenzkarten jedem neuen Streit vorzubeugen.  Aus heutiger Sicht wirkt die Geschichte nahezu kurios, doch waren die meisten Menschen damals geneigt, einer bildhaften Darstellung eher Glauben zu schenken als einer topographischen Karte à la Mercator. Bis ins späte 16. Jahrhundert hinein wurden nicht als Geographen ausgebildete Landschaftsmaler mit dem Anfertigen von Landkarten beauftragt. Mercator selbst widmete sich nach der Erfahrung mit Grenzregulierungen eher anspruchsvolleren Kartenwerken und innovativen Projektionstechniken. Als geschickter Familienunternehmer verlor er das lukrative Landvermessergeschäft aber nicht aus den Augen und übertrug es zu großen Teilen seinem Sohn Arnold. 1570 maß Arnold neuangelegte Straßenpflaster in Duisburg ab und nahm Nivellierungen (Höhenmessungen) von Deichen an der Ruhr im heutigen Stadtteil Meiderich vor. Erstmals wurde Haus Angerort, an der Mündung des Angerbachs in den Rhein gelegen, von Arnold Mercator in das Grundstücksverzeichnis des Duisburger Gasthauses (Städtische Armen- und Krankenfürsorge)  aufgenommen. 1571 nahm er weitere Vermessungen Duisburger Bauernhöfe vor, die Abgaben an das Gasthaus entrichten mussten.

Seine Zeichnungen (Gebäude, Bäume, Teich und Zäune) kombinierte er mit exakten Kataster-Messungen. Die bildhaften Darstellungen gehörten zum Lagerbuch.  Nach der Grundstücksgröße wurde dann die Grundsteuer ermittelt. Die Einnahmen aus dem Steueraufkommen sicherten die Armen-und Krankenfürsorge der Stadt.

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