Duisburger Akzente Fesselndes Tanztheater zum Abschluss
Duisburg · Die 43. Duisburger Akzente sind am Wochenende zu Ende gegangen. Zum Abschluss standen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zwei Premieren vom „Kaiser Antonino Dance Ensemble“ auf dem Programm.
Mit einer bemerkenswerten Deutschlandpremiere des Tanztheaters „When air is still around“ am Samstagabend in der Kulturkirche Liebfrauen sowie einer nicht minder beeindruckenden Erstaufführung der kurzen Tanzperformance „Die stille Karawane“ tags darauf im „Earport“ im Innenhafen beendete das „Kaiser Antonino Dance Ensemble“ die 43. Duisburger Akzente.
Während erstgenanntes Stück wegen andauernder Corona-Unterbrechungen insgesamt zweieinviertel Jahre von seiner Entstehung bis zur Duisburger Aufführung brauchte, realisierten die Tänzer und Choreografen Avi Kaiser und Sergio Antonino die Tanzperformance ihres Dani Karavan Foto- und Performance-Projektes binnen weniger Tage.
Im Januar 2020 begann das Künstlerduo in ihrem Duisburger Studio „The Roof – TanzRaum“ mit dem neuen Stück, dessen Uraufführung zu den „Glücks“-Akzenten im März geplant war. Mit dem Ausbruch der Pandemie und dem anschließenden ersten Lockdown mussten sie ihre Arbeit jedoch vorübergehend unterbrechen und das Werk "einfrieren", wie sie es nannten. Anfang Juni dann begannen Kaiser-Antonino erneut, sich mit der Choreografie auseinanderzusetzen. Denn im September des gleichen Jahres sollte die Uraufführung in Tel Aviv stattfinden. So der Plan. Doch auch daraus wurde nichts. Stattdessen machten sie in Israel, wo ebenfalls wegen Corona nichts mehr ging, eine Videoaufnahme von dem Tanzstück und stellten dieses unter https://www.youtube.com/watch?v=83--hGz8st8 ins Netz. Auch die für November im Museum DKM geplanten Duisburger Aufführungen und jene zu den Akzenten im März 2021 fielen Covid-19 zum Opfer.
Zu sehen waren 50 Minuten fesselndes Tanztheater, von dem auch das zahlreich in der Kulturkirche Liebfrauen erschienene Publikum angetan und mitgerissen war – wenn man den kräftigen Schlussapplaus entsprechend deutet. Die Aufführung bewegt sinnlich, emotional und mental und die beiden Tänzer selbst sind darin stets in Bewegung: Sie gehen, laufen und rennen, sie tanzen (Tango und mehr), berühren einander und singen, liegen, rollen und robben auf dem Boden, lesen vor, sprechen und reden miteinander. Nichts ist gleich bei ihnen, immer wieder erschaffen sie Neues. Doch dazu brauchen sie lediglich ein Kostüm (bestehend aus Hemd, Hose und Sakko), eine Bühne (mit zwei Blumentöpfen) etwas Technik und einige Requisiten (darunter viele Müllbeutel und Handschuhe, zwei Motorradhelme, zwei Faltfächer und zwei Blatt Papier mit Texten). Aber auch wohldosierte Lichtwechsel gehören dazu und...Musik!
Dass die Produktion ihren Ursprung im Beethoven Jubiläumsjahr 2020 hat wird sicht- und insbesondere hörbar durch verwendete Kompositionsauszüge dreier Beethoven-Sinfonien. Ebenso spielte das Akzente-Thema desselben Jahres „Glück“ eine zentrale Rolle für den inhaltlichen Bezug der Inszenierung.
Den Zusammenhang zwischen Menschsein, Glück und Liebe, Natur, Konflikten und Freiheit choreografisch herzustellen und tänzerisch zu vermitteln, das ist dem „Kaiser Antonino Dance Ensemble“ kongenial gelungen unter musikalischer Zuhilfenahme der Beethoven-Sinfonien Nr. 6, der „Pastorale“, Nr. 7, die Beethoven seiner damaligen Freundin Antonie Brentano widmete, und Nr. 9, der berühmten „Ode an die Freude“, die alle entweder als Originalfragmente oder als Variationen, gespielt von Florian Walter (Saxophon, Klarinette) und Marko Kassl (Akkordeon), über Tonaufnahmen zu Gehör gebracht wurden.
Als letzten Satz dieser Aufführung spricht Kaiser zu Publikum: „Das könnte das Ende sein“, und er spricht ihn als Frage und Mahnung zugleich, was den heutigen Zustand der Welt betrifft, die aus den Fugen geraten zu seien scheint.
Ganz anders dagegen kam die rund 20-minütige Tanzperformance „Die stille Karawane“ am Sonntagabend im „Earport“ daher: nämlich sanft und still. Drei weiße, verschieden hohe Holzquader, die beiden Tänzer in schwarzer Montur und Musik vom Saxophonisten Florian Walter inmitten der von Sharon Zindany (der anwesend war) und Shavit Vos dort geschaffenen Fotoausstellung (die RP berichtete) – das war alles.
Mit sehr präzisen raumreduzierten Tanzbewegungen, mal synchron, mal ungleich, bewegten sich die Körper von Kaiser und Antonino hinter, auf und zwischen den weißen Sockeln, die der im wesentlichen geometrischen, kantigen Architektur Dani Karavans in Miniaturausgabe nahekommen sollte. Die Quader dienten der Choreografie dergestalt, Schwebezustände und Geheimnisse, Erinnerungen und Verwandlungen zu simulieren und es somit Karavans Kunstwerken gleichzumachen.
Am Ende ihrer kurzen, stillen Reise standen die Tänzer bewegungslos am großen Schaufenster des „Earport“ und schauten nach draußen auf den Garten der Erinnerungen, dem „größten und komplexesten Kunstwerk von Dani Karavan im öffentlichen Raum in Duisburg“, so Professor Christoph Brockhaus, der ehemalige Direktor des Lehmbruck-Museums, bei seiner der Tanzperformance vorausgegangenen halbstündigen Führung.