Duisburg Akzente: Schicksalsschlag als grandioses Bühnenerlebnis

Duisburg · Das Wiener Burgtheater gastierte mit Michael Thalheimers Inszenierung von Aischylos Tragödie "Die Perser" in Duisburg.

 Markus Hering (Ein Bote, hinten), Christiane von Poelnitz (Atossa) und Falk Rockstroh (Chor des persischen Ältestenrates).

Markus Hering (Ein Bote, hinten), Christiane von Poelnitz (Atossa) und Falk Rockstroh (Chor des persischen Ältestenrates).

Foto: Reinhard Maximilian Werner

Die Schlacht bei Salamis im Jahr 480 vor Christus war eine der spektakulärsten Niederlagen und Abstürze in der uns bekannten Menschheitsgeschichte. Und das Schauspiel "Die Perser" von Aischylos schildert die Gemütsverfassung der Perser, die diese tödliche Niederlage wider alle Erwartungen erlitten. Michael Thalheimer, der große europäische Theatermann, hat für das Wiener Burgtheater die Tragödie "Die Perser", die als das älteste vollständig erhaltene Theaterstück gilt, inszeniert. Die Akzente machen es möglich, dass wir im Duisburger Stadttheater die Wiener Aufführung erleben durften. Ein grandioses Bühnenerlebnis!

Zu Beginn erscheint Königsmutter Atossa, golden geschminkt, gekleidet in einem festlichen goldenen Gewand mit meterlanger Schleppe, die die stolze Frau fast zum Stolpern bringt. Am Schluss liegt ihr Sohn Xerxes (Merlin Sandmeyer) als nacktes, blutbeflecktes Häuflein Elend in ihrem Schoß; eine Pieta-Darstellung, die sich im Gedächtnis der Zuschauer festsetzt. Zwischen diesen Szenen wird die Tragödie entwickelt, die in der Summe wie ein einziger Schrei wirkt. Durs Grünbein hat die Aischylos-Tragödie neu übersetzt, sie von den unfreiwillig komisch-manieristischen Elementen seiner Vorübersetzer befreit, ohne platt modernistisch zu sein. Der Text geht dem Publikum nun in Herz und Verstand ein, die Sätze berühren uns, ohne dass man über altphilologische Wort- und Grammatikungetüme schmunzeln muss.

Das Besondere an der Aischylos-Tragödie ist, dass in ihr kein mythologischer Stoff für das zeitgenössische Festspielpublikum aufbereitet wird, sondern ein geschichtliches Ereignis, das gerade mal acht Jahre zuvor stattgefunden hat. An der Schlacht nahm Aischylos sogar selber teil. Aber nicht nur das macht "Die Perser" besonders: Vermutlich gegen die Erwartungshaltung seines Publikums und seiner Theaterkonkurrenten schreibt Aischylos nicht aus seiner eigenen Gewinnerperspektive; vielmehr versetzt er sich in die Rolle des Feindes, beschreibt dessen Leid und Klage angesichts der Niederlagen-Schmach.

Auf kunstvolle Weise inszeniert Thalheimer den antiken Stoff als spannungsvollen Sturz ins Unglück. Es beginnt mit den monologischen Ahnungen der Königsmutter (Christiane von Poelnitz), der traumhafte Zweifel am eigentlich kaum zu bezweifelnden Sieg ihres Sohnes über die Athener kommen. Der Chor (Falk Rockstroh) greift diese Zweifel teilweise auf, setzt aber auch Beschwichtigungen dagegen. Mit einem kühnen Bild wird die Wende zur Erkenntnis der schrecklichen Wahrheit eingeleitet: Die Decke des so standfest wirkenden Palastes kippt unter Dröhnen und mit Nebelschwaden nach unten - ein gewaltiger Effekt, den übrigens Dramaturg Klaus Missbach in seiner Einführung - zu Recht - nicht verraten wollte. Was folgt, ist die Schilderung der persischen Niederlage durch den Boten (Markus Hering), die durchaus der Dramentheorie Dürrenmatts von der schlimmst-möglichen Wendung entspricht. Als Schreckenskrönung taucht auch noch der verehrte, aber verstorbene Königsvater Dareios (Branko Samarovski) auf, der sein Lebenswerk durch den Sohn zerstört sieht, um dann wieder in die Unterwelt, ohne Rat zu geben, verschwindet.

Als Antikriegsdrama darf man "Die Perser" nicht missverstehen. Vielmehr geht es um die Demaskierung menschlicher Hybris. Und es ist ein Plädoyer für Demokratie: Die Götter sind auf der Seite der "freien" Athener, die eine despotisch-hochmütige Übermacht besiegen.

Riesenapplaus für Regie, Bühne und die großartigen Schauspieler.

(pk)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort