Im Gespräch mit Duisburger Philharmonikern „So gut wie das Ensemble als Schwarm“

Duisburg · Begegnung mit Anke Becker (Violine) und Ulrich Samtenschnieder (Klarinette) im Orchesterproberaum.

 Anke Becker und Ulrich Samtenschnieder im Proberaum der Duisburger Philharmoniker im Stadttheater.

Anke Becker und Ulrich Samtenschnieder im Proberaum der Duisburger Philharmoniker im Stadttheater.

Foto: Thomas Bremser

Im Orchesterproberaum duftet es nach Arbeit, Musik, Konzentration und Zuhören. Musik und nochmal Musik. Es ist wahrlich kein großer Saal. Die Musiker müssen zusammenrücken, sich eng versammeln, um miteinander spielen zu können. Hier wirken außerordentlich gruppendynamische Prozesse. Der Orchester-Proberaum als intimer, geheimer und wundervoll-magischer Ort. Zwei dieser miteinander spielenden Musiker traf ich, und bat sie gleich, nach freundlicher Begrüßung, sich auf ihre vertrauten Stammplätze zusetzen. Anke Becker, 2. Violine, und Ulrich Samtenschnieder, 2.Klarinette. Aha, so sitzen die beiden im Orchester, dachte ich – jeder innerhalb seiner Gruppe; einmal Streicher und einmal Holzbläser.  Alles ist organisiert. Ein Notenwart brächte jetzt ein Duo von Paul Hindemith für Klarinette und Violine und schon könnte es losgehen. Aber heute sind die beiden Philharmoniker mal nicht zum Musizieren, sondern zum Reden über ihren spannenden Beruf in den Orchester-Proberaum hoch über Duisburg gekommen. Anke Becker und Ulrich Samtenschnieder erzählen, dass sie sich beide schon aus der Studienzeit kennen. Und schon sind wir in einer lebhaften Konversation.

Wer beeinflusst das Niveau des Orchesters maßgeblich?

Anke Becker Man ist so gut wie das Ensemble als Schwarm.
ULRICH SAMTENSCHNIEDER: Gerade bei Solopositionen ist es gut, wenn man gute Leute hat. Die Gruppe muss sich zusammenfinden. Es gibt eine klangliche Entwicklung, in der sich die Gruppe finden muss. Sich zu finden ist viel Arbeit. Musik machen ist Arbeit. Das Orchester wird nicht nur dadurch gut, dass man fünf gute Leute eingekauft hat.
ANKE BECKER: Fast auf jeder Position des Ensembles hat man Einfluss auf die Verbesserung des Niveaus. Natürlich kann ein guter Leiter mehr aus einer Gruppe herausholen. Jede hervorragende Einzelleistung kann die ganze Gruppe puschen.

Da ist viel klassische Gruppendynamik im Spiel. In dieser großen Gruppe von Einzelkünstlern, sitzen Musikerinnen und Musiker an der 1. Geige, am 2. Horn, oder an der 3. Trompete. Haben wir hier doch eine Rangfolge?

ULRICH SAMTENSCHNIEDER Vielleicht ein wenig. Ich kann es von beiden Positionen beurteilen, da ich 23 Jahre an der 1. Klarinette saß und jetzt seit 13 Jahren die 2. Klarinette spiele. Der erste Klarinettist hat natürlich die meisten Soli, aber das wichtigste ist ja das Zusammenspiel. Wenn die erste Klarinette und die zweite Klarinette zusammenspielen und die zweite Klarinette intoniert im Zusammenspiel falsch, ist das ja auch Käse! Es muss schon sehr gut harmonieren. Es sollte auch innerhalb unserer Klarinettengruppe menschlich passen. Das funktioniert bei uns gut.
ANKE BECKER: Es gibt Menschen, die das können und es gibt Menschen, die das nicht können. Man kann von beiden Seiten etwas dazutun, dass es funktioniert, aber auch etwas tun, dass es nicht funktioniert. Bei den größeren Gruppen, wie bei uns Streichern, ist es natürlich auch viel gemischter. Unterschiedliche Charakteren und Persönlichkeiten, wie in anderen Berufsgruppen auch.

Auf welchem Platz stehen die Duisburger Philharmoniker weltweit?

ULRICH SAMTENSCHNIEDER: Oh, weltweit? Das ist schwierig zu sagen. In Deutschland gehören wir bestimmt zum oberen Drittel. (Anke Becker nickt.)
ANKE BECKER: Die Einteilung in A, B und C-Klassen beinhaltet schon ein gewisses Ranking. Orchester, die viel Geld zur Verfügung haben, können im Endeffekt mehr machen, und auch die Musikerinnen und Musiker streben natürlich in die besser bezahlten Stellen.
ULRICH SAMTENSCHNIEDER: Das Geld spielt da schon eine Rolle.

Der konzertante „Ring des Nibelungen“ in diesem Sommer war doch Weltklasse, oder?

ULRICH sAMTENSCHNIEDER: Wir Duisburger Philharmoniker treffen dieses Top-Niveau zwar nicht so häufig wie andere Orchester auf der Welt, aber wir kommen da auch dran. Trotzdem bleibt die Einordnung in solche Kategorien schwierig.

Musizieren Sie eigentlich noch zum Spaß – einfach so?

Anke bECKER: In der Familie musiziere ich eine ganze Menge. Bei Familienfesten. Ich musste ein Stück von Ed Sheeran singen und arrangieren (Anke Becker lacht). Barockmusik mache ich regelmäßig. Ich spiele gerne mit meinen Kolleginnen und Kollegen Kammermusik. Ich mache viel Education und habe hier ein „Babykonzert“ konzipiert. Dass man hier bei den Duisburger Philharmonikern noch diese künstlerischen Freiräume hat, finde ich toll.
ULRICH SAMENSCHNIEDER: Spaß habe ich im Moment besonders mit meiner E-Gitarre. Ich habe ja auch viel Jazz gemacht. Jetzt mit der E-Gitarre spiele ich, ja, so ein „Pop-Jazz-Rock-Zeug“. Seit ich die Gitarre habe, komponiere ich auch und schreibe „Liedchen“. Man hat ja hier (im Duisburger Orchester) trotzdem gut zu tun.

Müssen Sie zu Hause noch viel üben?

Anke BECKER: Ich stehe nicht mehr acht Stunden da und übe, außer es gibt ein Solo, was sich doch dann erarbeiten muss. Dann ich stell ich mich schon mal drei Stunden hin und poliere die „Klamotte“.
ULRICH SAMTENSCHNIEDER: Wir Musiker sind sozusagen darauf gedrillt Vieles „wegzufiltern“, um sehr schnell neue Stücke zu lernen. Und dann kommt wieder etwas Neues. Das ändert sich von Tag zu Tag und von Woche zu Woche.

Letzte Frage: Was ist Ihr Lieblingsstück?

Anke BECKER: Bach – Weihnachtsoratorium.
ULRICH SAMTENSCHNIEDER: Puccini – ist für die Klarinette wunderschön.

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