Familie aus der Ukraine Wenn das Ankommen in Duisburg an 71,32 Euro scheitert

Duisburg · Yana Kuenai-Tabola und ihr Sohn Konstantin sind aus dem Osten der Ukraine nach Duisburg geflüchtet. Sie haben Nachbarn gefunden, die sich um sie kümmern und nun sogar eine eigene Wohnung. Doch die ist der Stadt zu teuer.

 Yana Kuenai-Tabola und ihr Sohn Konstantin leben derzeit bei Sabine Witte (hinten links). Bianca Kraul (hinten rechts) unterstützt sie ebenfalls.

Yana Kuenai-Tabola und ihr Sohn Konstantin leben derzeit bei Sabine Witte (hinten links). Bianca Kraul (hinten rechts) unterstützt sie ebenfalls.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Yana Kuenai-Tabola hat Glück gehabt. Gemeinsam mit ihrem fünfjährigen Sohn Konstantin ist die 29-Jährige dem Krieg in der Ukraine entkommen. In Duisburg-Rahm sind sie privat untergekommen, Konstantin geht in den Kindergarten und seine Mutter kann wohl bald als Ukrainisch-Übersetzerin bei der Stadt anfangen. In dem Mehrfamilienhaus, in dem sie derzeit leben, wird nun sogar eine Wohnung frei. Vermieter und Nachbarn sind sich einig, dass Mutter und Sohn in die möblierten Zimmer einziehen sollen. Doch der Plan scheitert an der Stadt Duisburg und an 71,32 Euro.

„Wir haben nach mehrfacher telefonischer Nachfrage gehört, dass die Wohnung zu teuer ist“, sagt Nachbarin Bianca Kraul, die sich mit dem Fall an unsere Redaktion gewandt hat. Das Problem: Kuenai-Tabola hat zwar einen Job in Aussicht, lebt aber noch von der finanziellen Hilfe des Sozialamts. Und das müsste auch zunächst die Kosten für die Wohnung übernehmen. Die angebotene Wohnung liegt nur eben 71,32 Euro über der entsprechenden Mietangemessenheitsgrenze.

Kraul hatte darauf gehofft, dass Ihnen die Stadt im konkreten Fall entgegenkommt. Die Zeit dränge auch, weil Mutter und Sohn derzeit im Schlafzimmer von Sabine Witte leben, die jedoch ab Mai wieder in 15-Stunden-Schichten arbeiten muss. Doch statt konstruktiver Hilfe, wie die Hausgemeinschaft eine Lösung finden könne, sei am Telefon nur folgender Satz gefallen, wie Kraul schildert: „Wenn Ihnen das zu viel wird, dann müssen Sie sie halt ins Deltadorf bringen.“ Anders gesagt: Kommen Sie mit den Geflüchteten alleine klar oder geben Sie sie ab.

Die Nachbarn verstehen nicht, warum es keine pragmatische Lösung geben kann. Sie wären sogar bereit, den Differenzbetrag selbst zu bezahlen und denken mittlerweile auch darüber nach, die Wohnung selbst zu mieten und günstiger weiterzuvermieten. Auch mit dem Vermieter haben sie darüber gesprochen. Der könne die Miete aber offiziell nicht drücken. „Es geht ja nur um vier bis sechs Wochen“, sagt Kraul. Dann könne Kuenai-Tabola die Miete selbst bezahlen.

Gerne hätten Witte und Kraul darüber mit der Stadt gesprochen. Zum konkreten Fall und was nun getan werden könne, antwortet ein Sprecher der Stadt jedoch auch auf Anfrage unserer Redaktion nicht. Stattdessen verweist er auf die Mietangemessenheitsgrenzen, die sich an der Sozialhilfe orientieren. „Änderungen in der Zukunft liegender Lebensverhältnisse, wie in diesem Fall eine mögliche Arbeitsaufnahme, können wir zu diesem Zeitpunkt leider nicht berücksichtigen“, heißt es in der Antwort. Eine Lösung könnte es dennoch geben. „Wird ein Mietvertrag ohne vorherige Zustimmung des Amtes für Soziales und Wohnen abgeschlossen, so werden lediglich die ‚angemessenen Mietkosten‘ übernommen“, teilt die Stadt mit. Der Differenzbetrag müsse in diesem Fall von den Betroffenen selbst übernommen werden. Kuenai-Tabola könnte sich somit zumindest die Miete minus 71,32 Euro finanzieren lassen.

Vielleicht findet die Hausgemeinschaft in Rahm auf dieser Grundlage eine Lösung. Bianca Kraul ist vor allem daran gelegen, dass der kleine Konstantin weiter in den Kindergarten gehen kann. Dadurch habe er nach der Flucht aus Charkiw im Osten der Ukraine bereits begonnen, seine Traumata zu überwinden. Helfen würde sicher auch, wenn die kleine Familie endgültig in einem neuen Zuhause ankommt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort