Siegfried konzertant Sängerfest in Duisburg am Rhein

Duisburg · Die konzertante Aufführung von Wagners „Siegfried“ in der Mercatorhalle erwies sich als musikalisches Highlight.

 Schlussapplaus mit (von links): Corby Welch, Linda Watson, Axel Kober, Renée Morloc und James Rutherford.

Schlussapplaus mit (von links): Corby Welch, Linda Watson, Axel Kober, Renée Morloc und James Rutherford.

Foto: Thomas Bremser

Familienaufstellung Im Programmheft zu Wagners „Siegfried“, fand der Kritiker einen mit „Familienbande“ überschriebenen Artikel von Jochen Hörrisch, der die komplizierte seelische Verfassung des Nothung schmiedenden und schwingenden Helden Klein-Siegfried verortet: „Auch Brünnhilde hat ihren göttlichen Vater gründlich bzw. abgründig überwunden. Geschwisterlich hat sie zusammen mit den weiteren acht Walküren gegen den Vater revoltiert. In freier Liebe ist sie dem Neffen verbunden, der einer Geschwisterliebe entstammt. Da er seinen früh verstorbenen Eltern nie begegnet, steht Siegfried nicht konkret vor dem Problem, ob er Sieglinde als seine Mutter oder seine Tante und Siegmund als seinen Vater oder seinen Onkel benennen soll…“

Unser Held Siegfried Aha, Siegfried auf Identitätssuche! Frisch gebacken, naiv, Hochofen affin, mit eigenhändig geschmiedetem Schwert-Freund namens Nothung, plus brillierender Hornistin, kantapperte Siegfried fast wie Papageno kindlich, irgendwie auch immer aufmüpfiger Anti-Held, geleitet von einem Waldvöglein, sehr fein tiriliert von der großartigen Sopranistin Aisha Tümmler, durch seine eigene Familienaufstellung.

Heldentenöre Heldentenor Corby Welch stand als Titelheld an diesem Abend, natürlich vor den großen Heldentenor-Schuhen vergangener Großer in diesem tückischen Fach. Stolz durfte er an diesem Abend in einer Reihe mit den vergangenen Heldentenören, dem Duisburger Manfred Jung, Peter Hofmann und Siegfried Jerusalem die unbarmherzigen Strahlkappen-Schuhe ausprobieren. Sie passten! Einzig eine Spur mehr Platz für das Timing hätte man sich gewünscht. Aber da hatte unser Held Siegfried mit Axel Kober einen versierten „Hüter des Taktes“. Und mit seinen grandios-fulminant aufspielenden Philharmonikern, echte Liedbegleiter am Start. Der wohltimbrierte Tenor von Corby Welch ist in der Höhe mit einem hell-leuchtenden Strahl ausgestattet, den man auch am Hügel in der neueren Zeit nicht hören könnte. Corby Welch hatte Platz in jeder Lage – ein Traum als Siegfried. Eine Partie wie für ihn gemacht. Mit Siegfrieds pubertierender Leichtigkeit und fragender Stimme, stemmte Welch seine Töne nicht, sondern gab weich und anrührend seine sängerische Seelenlage dem Publikum preis.

Großartiges Sängerensemble Als beeindruckende Erda, Renée Morloc, die in ihrem Körper tiefverwurzelte Klänge gebären konnte – wohlklingend und anrührend. Lukasz Konieczny als tumber Fafner - stimmgewaltig und darstellerisch auf imposantem Niveau. Natürlich auch wieder Jochen Schmeckenbecher als Sauhund Alberich in Höchstform und mit wahnsinnig anrührender Intensität. Der Wanderer von James Rutherford war exzellent, stimmschön, mächtig und wieder auf Weltniveau.

Primadonna assoluta Primadonna assoluta war und ist Kammersängerin Linda Watson - als Frauendarstellerin und Brünnhilde. Sie saugte die höchsten Klänge mit ihrem Zwerchfell bis zur Verzückung. Legte eine frauliche, unvergleichliche Legatospur, die so intensiv berührte, dass es die Zuhörerinnen und Zuhörer gleichermaßen staunend-berauscht in ihre Sessel sinken ließ. Gegen jedes Vorurteil über sogenannte „Wagnersängerinnen“, sang Watson die Höhe in ihrem Walküren-Matriarchat sowohl metallisch-glänzend, als auch lyrisch-warm. Absolute Meisterklasse!

Cornel Frey Die Entdeckung des Abends war zweifellos Cornel Frey. Er hatte als Mime, spätestens an diesem Abend die passenden Schuhe an.

Der große Mime Helmut Pampuch lächelte Frey an diesem Abend bestimmt aus dem Sängerhimmel zu. Ein Sänger mit großartiger Aussprache, wunderschönem Tenor, gepaart mit Spielwitz und unglaublich müheloser Technik. Er war, genauso wie Linda Watson Brünnhilde - Mime. Sein Gesang würde selbst in einem laut-dröhnenden Stahlwerk noch zu hören sein. Man merkte deutlich, Frey feilte, hobelte, glättete, entgratete, polierte und beseelte seine Stimme wie ein Berserker; nicht anders ist diese Sänger-Leistung zu erklären

 Zwischen den Aufzügen wilde Bravo- Ovationen. Am Ende eine rauschend-beseelte Mercatorhalle. Was für ein Sängerfest!

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