Erinnerungen an die 70er und 80er Jahre in Duisburg Soziokultur: Vom Eschhaus zum Stapeltor

Duisburg · Das Eschhaus ist heute mehr Legende als Vorbild. Noch ist unklar, wann (und ob) am Stapeltor ein soziokulturelles Zentrum eröffnet werden kann. Die Politik signalisiert Zustimmung, doch hakt es noch immer bei der Kostenfrage.

 1987 wurde das einst legendäre Haus abgerissen.

1987 wurde das einst legendäre Haus abgerissen.

Foto: Andreas Probst

Die Duisburger Jugend von einst sah sehr kritisch auf ihre Stadt. „Unbeweglich, konservativ und bieder“ erschien sie in den Augen derer, die Ende der 60er Jahre jung waren. Die Jungsozialisten beklagten beispielsweise 1968 ein „Vakuum möglicher Treffpunkte junger Menschen“. Stattdessen trafen sich junge Leute damals regelmäßig vor einem Kaufhaus in der Duisburger Fußgängerzone. Diese informellen Treffen nannte man spöttisch „Heiratsmarkt“. Der Ruf nach einem Jugendkulturzentrum in der Innenstadt wurde damals immer lauter. Ein Artikel in einer Schülerzeitung, in dem ein solches Zentrum gefordert wurde, beeindruckte durchaus die öffentliche Meinung. Vertreter aus zwölf Jugendorganisationen schlossen sich zu einer Interessenvertretung an, die es sich zur Aufgabe machte, ein soziokulturelles Zentrum in der Innenstadt zu realisieren. Das Ergebnis ist heute bekannt: Am 29 Mai 1974 wurde „der Jugend“ ein verlassenes Gebäude der Textilfirma „Esch“ an der Niederstraße übergeben. Am 30. Oktober 1974 wurde das „Eschhaus“ dann eröffnet. Der Andrang war riesengroß. Heute ist das Eschhaus eine Legende.

In seiner Doktorarbeit über die Duisburger Kulturpolitik in den Jahren 1945 bis 2005 hat Jörg-Philipp Thomsa dem Eschhaus ein eigenes Kapitel gewidmet. Thomsa beschreibt mit größtmöglicher Objektivität die Licht- und Schattenseiten dieses Zentrums. Thomsa: „Das Eschhaus war Vorreiter für die Gründung anderer soziokultureller Zentren in der Region und darüber hinaus.“ Er zitiert in diesem Zusammenhang ein Gründungsmitglied der Eschhaus-Initiative: „In den besten Zeiten erreichte das Wirken des Eschhauses eine Dichte von Innovaton, Kritik und Selbstrironie, die bis heute in Duisburg ohne Nachfolge geblieben ist.“

So positiv blieb der Eindruck im Laufe der Jahre jedoch nicht. Immer mehr Randgruppen vereinnahmten das Eschhaus. Es gab gelegentlich „klammheimliche“ Sympathiekundgebungen für die Terrororganisationen RAF; die Drogenszene fühlte sich im Eschhaus durchaus heimisch. Thomsa: „Das basisdemokratische Modell der freien Selbstorganisation führte zu einem organisatorischen Chaos. Die Vollversammlungen fanden mit zum Teil mehr als 100 Leuten wöchentlich statt.“ Und zu allem Überfluss wurden die städtischen Subventionen veruntreut, obwohl der Thekenbetrieb im Eschhaus florierte. Ein Fehler sei es gewesen, so Thomsa, dass die Stadt auf Sitz und Stimme im Eschhaus-Beirat verzichtet hatte und lediglich einen Nutzungsvertrag mit dem Verein „Unabhängiges Jugendzentrum Eschhaus – Verwaltungsbeirat e.V.“ abgeschlossen hatte.

Als das Eschhaus am 1. Juli 1987 in einer nicht angekündigten nächtlichen Aktion abgerissen wurde, atmeten viele Duisburger Kommunalpolitiker und auch Anwohner aus der Nachbarschaft des Eschhauses auf. Beim Rückblick darf man aber auch die Lichtseiten nicht vergessen, an die Olaf Reifegerste im Duisburger Jahrbuch 2020 erinnert. Zu den prominenten Gästen des Eschhaues gehörten musikalische Größen wie Alexis Korner, Julie Driscoll, BAP und Ton Steine Scherben, aber auch die Schriftsteller Peter O. Chotjewitz und Peter-Paul Zahl, der Zukunftsforscher Robert Jungk sowie Rechtsanwalt und Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele.

 Der Abriss des legendären Eschhaus bildete eine Zäsur.

Der Abriss des legendären Eschhaus bildete eine Zäsur.

Foto: Stadtarchiv Duisburg

Als Vorbild für das geplante neue soziokulturelle Zentrum am Stapeltor 6 in der Innenstadt eignet sich das Eschhaus gewiss nur bedingt. Wichtiger scheint indes, ob die weit fortgeschrittenen Stapeltor-Pläne auch Wirklichkeit werden. Nach wie vor gilt der Stand aus der spätherbstlichen Kulturausschuss-Sitzung. Dort bekamen Luise Hoyer und Christian Wagemann von der „Ermöglicher-Gruppe“ viel Zustimmung von den Kommunalpolitikern, nachdem sie die Pläne und das vorläufige Konzept für das Soziokulturelle Zentrum vorgestellt hatten. Claudia Leiße von den Grünen sprach offenkundig im Namen vieler, als sie sagte, dass sie freudig überrascht darüber sei, wie gut und viel die Ehrenamtlichen gearbeitet hätten.

Wagemann erläuterte die Leitungs- und Organisationstruktur, die aus einem Leitungsteam, einem Berater- und Unterstützerteam und einem Beirat bestehen soll, der reflektierend und qualifizierend die Arbeit begleitet. Kalkuliert wurden auch die Kosten, die mit 405.657 Euro errechnet wurden. Dank unentgeltlicher Architektenleistung, Großzügigkeit des Eigentümers, der Fenster und Brandschutztüren zum Teil selber bezahlt, Eigenmittel und anderer Kostenvermeider beträgt danach der Anteil, den die Stadt Duisburg, beisteuern müsste, weniger als die Hälfe, nämlich 196.657 Euro.

 Die Macher des geplanten neuen Soziokulturellen Zentrums mit (von links) Stefan Schröder, Jonas Greschner, Christian Wagemann, Christine Brücker und Jan Tügel hoffen auf einen Neustart am Stapeltor.

Die Macher des geplanten neuen Soziokulturellen Zentrums mit (von links) Stefan Schröder, Jonas Greschner, Christian Wagemann, Christine Brücker und Jan Tügel hoffen auf einen Neustart am Stapeltor.

Foto: Christoph Reichwein (crei)

Die Hoffnung, dass der Rat die Pläne für das Soziokulturelle Zentrum in seiner Sitzung am 25. November genehmigen würde, erfüllte sich indes nicht. Die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen, hieß es damals. Die Mitglieder der Ermöglichergruppe zeigten sich enttäuscht, wollen die Hoffnung jedoch noch nicht aufgeben.

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